: Nepper der Nation
Seine Lehre als Koch absolvierte er beim einstigen Chefkoch von König Ibn Saud, später schrieb er „Hitlers geheime Tagebücher“ und machte sich damit eigentlich unsterblich: Der Koch, Galerist und Fälscher Konrad Kujau ist tot
„Wofür lassen Sie alles stehen und liegen?“, fragte ihn Anfang des Jahres ein Reporter. „Für einen Teller Erbsensuppe!“, antwortete der rundliche Mann verschmitzt. Dabei kochte er gerne, gut und exquisit. Konrad Kujau, der Meisterfälscher, Nepper und Verhohnepipeler der Nation starb am Dienstag im Alter von 62 Jahren in Ulm an Krebs.
Oder vielleicht nicht? Ist das etwa nur ein weiterer Geniestreich von Kujau? Als die Stern-Chefredakteure Peter Koch und Felix Schmidt im April 1983 auf einer Pressekonferenz mit stolzgeschwellter Brust „Hitlers geheime Tagebücher“ präsentierten, hat sich der massige Mann aus Sachsen bestimmt ins tätowierte Fäustchen gelacht. Fast 9,5 Millionen Mark hatte er von dem Wochenblatt erhalten, für mit Tinte in alte, billige DDR-Schulhefte geschmierte Führer-Worte, auf alt getrimmt mit Asche und Eselsohren. Festgehalten wurde diese Blamage in dem Helmut-Dietl-Film „Schtonk“, auch die Initialen auf den Heften: Nicht A.H. war in altdeutscher Schrift auf den Einbänden zu entziffern, sondern F.H. – das fiel den aufgeregten Redakteuren allerdings zu spät auf. „Fritze Hitler hieß er ja wohl nicht“, sagt jemand in „Schtonk“, „das heißt Führer Hauptquartier!“
Der Galerist und Fälscher strotzte immer vor spitzbübischem Humor und Lebenslust, auch noch, als er für die Stern-Geschichte über vier Jahre in den Knast wanderte. Und im Gegensatz zu seinem Mittäter, dem Stern-Reporter Gerd Heidemann, der seit Verbüßung seiner Haftstrafe ein freudloses Dasein als Sozialhilfeempfänger in Hamburg fristet, plante Kujau gleich die nächsten Coups.
Der Aufenthalt im Gefängnis hatte seiner Gesundheit allerdings schwer zugesetzt: Er litt danach unter Kehlkopfkrebs. Und während des unfreiwilligen Exils nach Eigenaussage vor allem unter dem schlechten Essen. Darum wechselte er nach der Haftstrafe kurzzeitig seinen Beruf: Als Koch, der sein Handwerk angeblich beim „einstigen Chefkoch von König Ibn Saud“ gelernt hat, bereitete er in einem Restaurant im baden-württembergischen Alt-Heslach vor allem Fisch und Vegetarisches zu. Später wandte er sich der Musik zu. Da spielte er 1995 auf der Platte „Rebellen der Kunst“ Gitarre und sang „selbst mit meiner rauhen, versoffenen Stimme, die mir nach einer Kelhkopfoperation geblieben ist“.
In der Lokalpolitik konnte er leider nie Fuß fassen: 1994 scheiterte der Versuch Kujaus, sich zum Landrat in seiner Heimatstadt Löbau, Oberlausitz, wählen zu lassen, kläglich: „Wegen gravierender Form- und Verfahrensfehler mussten wir die Bewerbung zurückweisen“, teilte der Vorsitzende des zuständigen Kreiswahlausschusses damals mit. Schade, der Landrat von Löbau wäre bestimmt ein hervorragender Hauptmann von Köpenick gewesen. JENNI ZYLKA
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