: Nepal nach dem Massaker
■ Die Opposition verbrennt ihre Toten / Ausnahmezustand verhängt / Streit um möglichen Dialog
Katmandu/Neu Delhi (adn/dpa) - Der 6. April 1990 wird in die Geschichte Nepals als der bis dahin blutigste Tag des Kampfes um mehr Demokratie eingehen. Noch herrscht völlige Unklarheit, wieviele Demonstranten wirklich von der gezielt scharf schießenden Polizei getötet wurden, als sie versuchten, den äußeren Sicherungsring um den Königspalast zu überrennen. Doch am Samstag morgen, so berichten telefonisch Augenzeugen aus der Hauptstadt, brannte ein Kremationsfeuer neben dem anderen an den Ufern des Bagmati -Flusses: Die Opposition verbrannte ihre Toten.
Ein Oppositonspolitiker berichtete, die Armee habe mindestens 300 Leichen in ein Massengrab geworfen, das hastig im Gokarna-Dschungel nahe der Hauptstadt ausgehoben worden awr. Das Blutbad hatte stattgefunden, als ein Demonstrationszug von mehreren hunderttausend Menschen zum Königspalast ziehen wollte, nachdem die Regierung ihren Rücktritt bekanntgegeben hatte. Polizei stoppte den Zug kurz vor dem Königspalast und feuerte in die Menge.
Katmandu war am Samstag morgen eine Geisterstadt. Der König hatte den Ausnahmezustand verhängt. Trotzdem gingen wieder Tausende Menschen auf die Straße. In Patan, einem Vorort Katmandus, sollen drei Menschen erschossen worden sein. Auch in Butwal, rund 260 Kilometer südwestlich der Hauptstadt, soll eine Ausgangssperre herrschen. Demonstrationen wurden auch aus anderen Städten gemeldet. Unterdessen wurde die Freilassung von politischen Gefangenen verfügt. Unter ihnen befindet sich der 75jährige Führer der Kongreß-Partei, Ganesh Man Singh. Inhaftierten Führern dieser Partei waren in dieser Nacht sogar Ministerposten angeboten worden, doch sie lehnten ab. Kommunisten bleiben weiter in Haft.
Am Samstag stellte der neue Ministerpräsident Lokendra Bahadur Chand sein aus vier Ministern bestehendes Kabinett vor, und erklärte, die Regierung sei zu Gesprächen ohne Vorbedingungen bereit. Die Opposition fordert jedoch direkte Gespräche mit dem König selbst. Für den heutigen Montag haben die Oppositionsparteien zu neuen Protesten aufgerufen.
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