: Neonazis mobilisieren in Sachsen
„Trauermarsch“ am Samstag in Dresden genehmigt/ Mutmaßliche Mörder von Neonazi Sonntag in Bangkok gefaßt/ Weitere rechtsradikale Treffen in Leipzig und Görlitz? ■ Von D. Krell und B. Mika
Berlin (taz) — Zur Hochburg der Rechtsradikalen soll Sachsen am Wochenende werden. Für Dresden, Leipzig und Görlitz planen unterschiedliche neonazistische Gruppen Demonstrationen und Kundgebungen. Das Innenministerium und die Verantwortlichen in den Städten mobilisieren ihre Polizei, an Verbote denken sie weniger.
Am Samstag wollen Rechtsradikale in Dresden demonstrieren — und die Stadtoberen haben nichts dagegen. Sie genehmigten die Trauerkundgebung für den Neonazi Rainer Sonntag, der vor zwei Wochen auf offener Straße erschossen worden war. Sonntags mutmaßliche Mörder, Ronny M. und Nikola S., sind am Montag in Bangkok gefaßt worden. Die beiden Zuhälter aus Mannheim, die ihre Geschäfte in Dresden betrieben, sollen in den nächsten Tagen in die sächsische Hauptstadt überführt werden.
Die rechtsextreme „Kameradschaft Johannstadt“ erwartet mehr als 5.000 Gleichgesinnte zu ihrem Trauermarsch. Der sächsische Innenminister Krause (CDU) wollte gestern allerdings nur von einigen hundert „Gästen“ wissen, mit denen man nach „gegenwärtigen Aufklärungsergebnissen“ rechnen könne. Krause wies darauf hin, daß die Genehmigung solcher Veranstaltungen in der Kompetenz der Stadt liege. Dabei hatte er sich offenbar nicht mit Dresdens Oberbürgermeister Wagner (CDU) abgesprochen. Der hatte nämlich behauptet, Polizei und Innenministerium hätten ihm von einem Verbot dringend abgeraten. Deshalb habe er die Demonstration „schweren Herzens“ genehmigt. Eine Trauerkundgebung könne er außerdem gar nicht verbieten, behauptete Wagner.
Um Randale vorzubeugen, wird die Dresdner Polizei massiv mobilisiert und Verstärkung vom Bundesgrenzschutz angefordert. Man werde „alles tun, um Auseinandersetzungen zu vermeiden“, erklärte Polizeiinspektor Herzberg. Vermummte oder „passiv bewaffnete“ Personen sollen vom „Trauern“ ausgeschlossen werden. Parolen und Plakataufschriften dürften nicht gegen die Strafgesetzte, die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Die Veranstalter selbst sollen 100 Ordner stellen. Daß mit gewalttätigen Auseinandersetzungen gerechnet würde, wollten die Sprecher von Ministerium und Stadt allerdings nicht bestätigen.
Leipzig hat eine ebenfalls für Samstag angekündigte Kundgebung der neonazistischen FAP verboten. Allerdings mit der Begründung, die Freiheitliche Arbeiterpartei dürfe nicht demonstrieren, weil zur gleichen Zeit ein Fußballspiel in Leipzig stattfinde. Allein für dieses Spiel und den Dresdner Trauermarsch sollen rund 1.600 Polizeibeamte eingesetzt werden. Ob eine rechtsextreme Kundgebung in Görlitz stattfindet, ist noch nicht sicher. Die sächsischen Regierungsvertreter forderten die Medien gestern auf, „verantwortungsvoll“ mit dem Thema Rechtsextremismus umzugehen. Dabei stehen sie in guter Tradition: Dresdens Bürgermeister Wagner hatte schon vor einiger Zeit „das sorgenvolle Händereiben der Medien“ für die Zunahme der rechtsradikalen Übergriffe mitverantwortlich gemacht. Heute mag sich Wagner auch nicht mehr daran erinnern, was er anläßlich des Neujahrsempfanges 1991 dem israelischen Botschaftsrat Aviv Shir versprochen hatte: Auf die Umtriebe in Dresden angesprochen, versprach er, nie wieder eine Kundgebung der Neonazis zuzulassen.
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