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Neonazis machen nicht vor Berlin halt

■ Zahlreiche rechtsradikale Übergriffe am Wochenende/ Streifen vor Asylbewerberheimen/ Brandenburg rechnet mit weiteren Anschlägen

Berlin/Brandenburg. Das brandenburgische Innenministerium befürchtet, daß es in den kommenden Tagen zu weiteren rechtsradikalen Übergriffen kommt. »Uns liegen konkrete Hinweise vor«, erklärte gestern eine Sprecherin gegenüber der taz. Die brandenburgische Polizei sei in höchste Alarmbereitschaft versetzt und werde gegebenenfalls auch auf das Hilfsangebot der Berliner Polizei zurückgreifen. Der Berliner Verfassungsschutz-Leiter Heinz Annußek verwies darauf, daß bei den jüngsten Ausschreitungen in Brandenburg auch gewaltbereite Neonazis aus Berlin aktiv gewesen seien. Erkenntnisse dafür, daß in Berlin vergleichbare Aktionen geplant sind, lagen dem Staats- und Verfassungsschutz gestern nicht vor.

Zahlreiche Übergriffe von rechtsradikalen Jugendlichen in Berlin am vergangenen Wochenende zeugen nach Auffassung des stellvertretenden Leiters des Staatsschutzes, Peter Haeberer, jedoch davon, daß der »Aufschaukelungsprozeß« gegen Ausländer und andere Minderheiten »nicht vor den Stadtgrenzen haltmacht«. Allein in der Zeit von Freitag nacht bis Sonntag nacht registrierte der Staatsschutz fünf Brandanschläge. Betroffen davon waren in kurzem Abstand gleich zweimal ein Asylbewerberheim in Hohenschönhausen, eine Schwulen- und Lesbenkneipe in Neukölln und zwei Döner- Imbißwagen in Neukölln. Verletzte oder größeren Sachschaden gab es jedoch nicht. Mehrere rechtsradikale Jugendliche, die Samstag nacht ein anderes Asylbewerberheim in Hohenschönhausen umstellten und »Ausländer raus« brüllten, wurden von der Polizei beim Ausbuddeln von Schottersteinen geschnappt. In Lichtenberg rotteten sich in derselben Nacht 60 bis 80 Jugendliche des rechten Spektrums vor einer Discothek zusammen und griffen die Polizei mit Steinen an.

VS-Chef Annußek schätzt die gewaltbereiten Berliner Neonazis auf rund 300 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr hätten sich die rechtsextremen Straftaten in Berlin fast verdoppelt. Besonders aktiv seien vor allem Ostberliner Neonazis. Der stellvertretende Staatsschutzleiter Haeberer befürchtet, daß jetzt autonome und antifaschistische Gruppen versuchen werden, Neonazis aufzuspüren, und daß es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt.

Laut Haeberer sind Polizei und Landessozialamt auf etwaige Angriffe auf Asylbewerberheime und andere gefährdete Objekte vorbereitet. Zumindest, was die Einsatzbereitschaft der Polizei angehe, werde sich »Rostock« in Berlin nicht wiederholen. Ihm sei glaubhaft versichert worden, daß die Polizei »binnen von Minuten« vor Ort sei. Darüber hinaus beobachteten Polizei und Sozialamtsmitarbeiter genau, ob es irgendwo zu Problemen zwischen Anwohnern und Heimbewohnern komme, und suchten diese zu lösen. Die Sprecherin der Sozialverwaltung, Pohl, bestätigte, daß die Streifenfahrten vor den 51 Heimen in West-Berlin und den fünf Heimen in Ost-Berlin bereits seit Hoyerswerda verstärkt worden seien.

Die Berliner Polizei werde Brandenburg selbstverständlich in Notfällen jederzeit schnell und unbürokratisch helfen, versicherte Haeberer. Im Vergleich zu den Aktivitäten rechtsradikaler Gruppen in anderen Bundesländern gegen Ausländer hält der Staatsschutzbeamte das Klima in Berlin jedoch für relativ »gesund«. Mit 39 registrierten ausländerfeindlichen Straftaten im ersten Halbjahr 1992 belege Berlin bundesweit den vorletzten Platz. Plutonia Plarre

Siehe Interview auf Seite 18

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