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Neonazis in GriechenlandNationales Morgengrauen

Nach neuen Umfragen verliert die griechische Regierung den Rückhalt. Dafür steigt die Popularität der extremen Rechten.

Genießen immer mehr Zuspruch in Griechenland: Anhänger der „Goldenen Morgenröte“. Bild: dapd

ATHEN rtr | Das Griechenland von seinen internationalen Geldgebern auferlegte Sparprogramm hat die Arbeitslosigkeit in dem Mittelmeerland drastisch ansteigen lassen. Im Juni war fast jeder vierte Grieche (24,4 Prozent) arbeitslos gemeldet nach 23,5 Prozent im Vormonat, wie das Statistikamt Elstat am Donnerstag mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um 42 Prozent.

Angesichts der dramatischen Wirtschaftskrise und einer steigenden Kriminalität fallen die Parolen von Rechtsextremisten offenkundig auf immer fruchtbareren Boden. Wenn jetzt Wahlen wären, würde die radikale Partei Goldene Morgenröte die einstmals mächtigen Sozialdemokraten vom dritten Platz verdrängen.

Insgesamt waren im Juni 1,2 Millionen Griechen ohne Arbeit. Besonders betroffen sind junge Arbeitnehmer. Bei den 15 bis 24-Jährigen liegt die Quote bei 55 Prozent, nach 20 Prozent im Jahr 2008 als die Rezession begann. Seither ist die Wirtschaft des Landes um ein Fünftel geschrumpft, mehr als 600.000 Arbeitsplätze wurden vernichtet. Die Sparprogramme beschleunigten dabei die Welle von Firmenschließungen und Unternehmenspleiten.

Der Prozess dürfte sich im Laufe des Jahres weiter verschärfen, wenn die Regierung zusätzliche Haushaltskürzungen im Umfang von zwölf Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre umsetzt. Dies ist eine Bedingung der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für weitere Finanzhilfen.

Regierungskoalition verliert Unterstützung

Nach der Befragung für die Zeitung To Pontiki registrierte das Umfrageinstitut Pulse für die Goldene Morgenröte einen Zuspruch von 10,5 Prozent. Das ist ein Plus von fast vier Prozentpunkten seit dem Einzug der Rechtsextremisten ins Parlament im Juni. Die Partei verfolgt eine aggressiv ausländerfeindliche Politik, die sich vor allem gegen die Emigranten im Land richtet. Ihre Propaganda wird auch für den Anstieg der gewaltsamen übergriffe auf Ausländer in Griechenland verantwortlich gemacht.

Der Umfrage zufolge hat die konservative Partei Neue Demokratie, die die gegenwärtige Regierungskoalition anführt, in der Wählergunst auf 25 von zuvor 29,7 Prozent verloren. Die radikalen Linken der Syriza-Partei fielen um fast drei Punkte auf 24 Prozent. Die Pasok, Juniorpartner in der Koalition, kam nur noch auf acht Prozent, während der andere Bündnispartner in der Regierung, die Demokratische Linke, zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent verlor.

Ungeachtet der sich verschärfenden Krise sollen viele Griechen nach Darstellung der Regierung wieder mehr Vertrauen in ihr Bankensystem haben. Seit Juni seien die Einlagen um sieben bis acht Milliarden Euro gestiegen, sagte Vize-Finanzminister Christos Staikouras. Banker hatten zuvor geschätzt, dass pro Tag bis zu 800 Millionen Euro von griechischen Banken abgezogen wurden. Die Bürger hatten das Geld in Bankschließfächern oder Zuhause verstaut.

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3 Kommentare

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  • PA
    Peter Adam

    @Stefan S.

     

    Deutschland trägt ebenso einen großen Anteil Schuld wie Griechenland. Immerhin war es die asoziale Politik unter Rot/Grün, welche mit HartzIV und der Entfesselung der Finanzmärkte, den Niedirglohnsektor mit all seinen Auswüchsen, begünstigte. Dies führte in Deutschland zur weitestgehenden Entmachtung, sowie einem Schulterschluss der Gewerkschaften mit der Politik, was letztlich zur Schaffung eines " Ersatzheeres " an Arbeitslosen führte, die von der Arbeitgeberseite dazu benutzt wurde um die Einkommen der Beschäftigten massiv zu senken. In Folge konnte Deutschland die EU-Peripherie mit billigen Krediten zuschütten, sowie einen Aussenhandelsbilanzüberschuss anhäufen.

    Diese Bilanzüberschüsse über Jahre hinweg sind der eigentliche Grund für die griechische Staatsverschuldung auf deutscher Seite. Den kaum vorhandenen Industrien in Griechenland wurde die Motivation genommen zu produzieren da es billiger war zu importieren. Zudem kamen noch die Gelder aus Strukturanpassungsfonds aus Brüssel hinzu, sowie eine Verknüpfung der deutschen Kredite an den Kauf deutscher Rüstungsgüter.

    Jetzt allein meinem Heimatland die Schuld zu geben ist in meinen Augen billiger Populismus und völlig unangebracht.

    Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Großteil dieser fatalen Entwicklung geht auf die Ignoranz und Bequemlichkeit der deutschen Bevölkerung zurück, die es versäumte Rot/Grün und deren Nachfolger unter Druck zu setzen. Denken sie mal drüber nach wieso die Kaufkraft Ihres Geldes immer weitersinkt, während die Lebenshaltungskosten hierzulande permanent steigen.

     

    MfG Peter Adam

  • SS
    Stefan S.

    @Werner

    Fatale Politik? Was wäre denn ihre Lösung. Sofort Komplettschuldenerlass verfügen ohne die Reformen abzuwarten?

     

    Interesse der Deutschen Banken? Hahaha, wissen Sie wer für die Deutschen Banken gerade steht wenn diese Kredite nicht zurückbezahlt bekommt.

     

    Und natürlich würden die Südstaaten bei einem solchen Schritt sofort einen ausgeglichenen Haushalt haben und NATÜRLICH nicht in die nächste Krise schlendern.

     

    Wie naiv muss man sein um das zu glauben? Aber klar, Deutschland ist natürlich für alles Verantwortlich...

  • W
    Werner

    Eine der fatalen Konsequenzen der deutschen Politik gegenüber Griechenland im Interesse der deutschen Banken.

    Die gleiche Strategie, die jetzt gegen die restlichen südeuropäischen Staaten verfolgt wird. Die immer weiter ansteigende Zahl der Arbeitslosen in Spanien deckt sich ziemlich genau mit den Zahlen aus Griechenland. Aber Frau Merkel kann das offenbar locker aushalten.

    Nach der Krise von 1929 waren es die Juden, die an allem schuld waren, heute sind es die Immigranten. Überall nehmen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu.

    Mit dem einzigen Unterschied, dass sich in Spanien die Rechtsradikalen (noch) nicht in einer eigenen Partei organisiert haben, sondern innerhalb der Regierungspartei PP zu finden sind.