Neonazis demonstrieren: Rechter Protest geht unter
Extreme missbrauchen das Thema Kindeswohl für Demo. Linke halten dagegen.
Vor Raum 739, in dem gegen den 68-jährigen Angeklagten Bernd S. wegen möglichen Kindesmissbrauchs verhandelt wird, baumelt ein Schild: "Öffentlichkeit ist ausgeschlossen". Die hatte sich dafür am gestrigen Freitagvormittag in ihrer hässlichsten Variante vor dem Landgericht Moabit versammelt. Knapp 30 Rechtsextreme nahmen den Prozess zum Anlass um für "Härteste Strafen für Kinderschänder" zu demonstrieren. 70 linke Gegendemonstranten hielten mit Sprechchören dagegen.
Viel Aufmerksamkeit erheischten die Neonazis nicht: Zwei Transparente waren aufgespannt, es gab keine Reden, die Polizei sperrte die "Mahnwache" großräumig ab. Forderungen nach "Todesstrafen für Kinderschänder" sind ein NPD-Klassiker, diesmal traf sich aber nur ein Häufchen Ex-NPDler um Gesine Hennrich. Diese war bis Februar NPD-Kreisvorsitzende in NPD Marzahn-Hellersdorf, bevor sie wegen Prostitutionsvorwürfen aus der Partei flog. Daraufhin trat beinahe der gesamte Kreisverband mit aus.
Wesentlich lauter machten sich die Gegenprotestler bemerkbar. "Keine Instrumentalisierung von Kindesmissbrauch durch Nazis", skandierten die hinter Absperrgittern versammelten Gewerkschafter, Antifas und der Bund der Verfolgten des Naziregimes. "Statt Lösungen fordern die Rechtsextremen Mord und Totschlag", so ein Redner. Die Linken-Abgeordnete Evrim Baba sagte: "Hier geht es nicht um Kindeswohl. Die Mahnwache ist ein plumper Versuch, mit diesem Thema Sympathien einzufangen." Vor dem Gerichtsgebäude stimmten Anwälte in ihrer Raucherpause spontan in die "Nazis raus"-Rufe ein.
Nach zweieinhalb Stunden trotteten die Neonazis von dannen. "Alles blieb friedlich", resümierte Polizeisprecher Michael Merkle. Auch in Raum 739 war zu diesem Zeitpunkt Schluss. Gegen Bernd S. wird am 31. März weiterverhandelt.
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