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Neonazi-Hetze per InternetListe der Einschüchterung

Neonazis veröffentlichen im Internet eine Hass-Liste von Organisationen und Personen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Betroffene nehmen sie ernst.

Setzen übers Internet Flüchtlings-Unterstützer unter Druck: kahlgeschorene Neonazis Bild: dapd

Hamburgs Neonazis machen mobil gegen Organisationen und Personen, die sich im Flüchtlings-, Migrations- und Integrationsbereich engagieren. Auf der Website "mein-HH.info" - "HH" ist in der rechtsextremen Szene gängiger Code für "Heil Hitler" - widmet sich ein langer Beitrag unter dem Titel "Das Überfremdungsnetzwerk in Hamburg" diversen Gruppen, Organisationen und Vereinen. Teilweise sind deren Adressen angegeben, außerdem werden rund 60 Personen namentlich aufgeführt.

In dem Beitrag wird unter anderem der Flüchtlingsrat als "steuerndes Element der Überfremdungsbemühungen in Hamburg" bezeichnet. "Seine Protagonisten sind bundesweit in Sachen Überfremdung aktiv", heißt es weiter. Aber auch die Werkstatt 3, die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten, das Café Exil oder das Rechtsanwaltsbüro 49 sind den Neonazis ein Dorn im Auge.

Selbst die kirchliche Beratungseinrichtung Fluchtpunkt und der Integrationsbeirat stehen auf der Hass-Liste. Das Diakonische Werk der nordelbischen Kirche wird offen attackiert, weil es dort eine Flüchtlingsbeauftragte gibt - O-Ton: "Asylanten Zinnober".

Unterhalten wird "mein-HH.info" von Leuten aus dem Umfeld des Neonazis Tobias Thiessen und seines "Aktionsbüro Norddeutschland". Thiessen gehörte in den 90 Jahren zur inzwischen verbotenen Kameradschaft "Hamburger Sturm", die auch eine gleichnamige Publikation herausgab, und danach der ebenfalls verbotenen Partei "Nationale Liste". Er engagierte sich auch bei der Neonazi-Publikation Zentralorgan.

Thiessen gilt als enger Vertrauter des Neonaziführers Thomas Wulff, der inzwischen für die NPD in Hamburg, Schleswig- Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aktiv ist. Auch Thiessen gilt zwar noch immer offiziell als Repräsentant der Kameradschaftsszene, paktiert aber gern mit der NPD. Da ist es kaum überraschend, dass die NPD Stade den Beitrag auf ihrer eigenen Homepage übernommen hat.

Die Betroffenen nehmen den Beitrag ernst: "Es ist zwar kein direkter Aufruf zu Straftaten", sagt ein Jurist. Es handele sich aber um "ein Signal für die rechte Szene" und eine indirekte Aufforderung, vorzugehen. "Das ist eine deutliche Drohung: Macht so nicht weiter, wir beobachten euch."

Auch Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck sieht in dem Internet-Beitrag einen "relativ massiven Angriff". Zwar seien das Gezeter über Überfremdung sowie die zur Schau gestellte Ausländerfeindlichkeit "alter Quark". Als ungewöhnlich und "neue Qualität" bezeichnet Murck aber, dass sich eine rechte Internetplattform derart intensiv und ausführlich mit dem Komplex Flüchtlingshilfe und Integration auseinandersetzt.

"Das dient schon der Einschüchterung", sagt Murck, und könnte von Leuten aus dem rechten Spektrum als "Rechtfertigungsplattform" verstanden werden.

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9 Kommentare

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  • WR
    Weiße Rose

    Ach, ihr findet, diese Seite sollte abgeschaltet werden? Wie sieht es denn mit Nazi Leaks aus?

  • B
    Brenessel

    Spitzen Foto habt ihr da ja wieder rausgekramt. Und die Unterschrift, echt der Hammer.

    ABER:

    Es sind nicht die offensichtlichen Glatzen, die allein für die Gewalt veranwortlich sind. Wie wir beim NSU sehen können, gibt es auch einen erschreckend großen Teil an Frauen die derlei kranke Einstellungen teilen. Es sind die unauffälligen die die größte Gefahr darstellen!

    UND:

    Liebe Antifa wie wärs denn mal mit Listen auf denen Rechtsextreme geoutet werden,dürfte doch heut zu Tage kein Problem darstellen.

    Da würde so manch ein Arbeitgeber, Nachbar, Fußballkumpel etc. bestimmt Augen machen und seine Konsequenzen ziehen.

  • Z
    Özay

    Es überrascht mich nicht, das solche Organisationen so etwas über Internet verbreiten. Das ist eine indirekte Aufforderung ihrer Mitglieder zu Handeln (Anzugreifen).

    Solange der Staat seine Migrationspolitik nicht ändert und diese Menschen nicht als ein Teil dieser Geselschaft anerkennt, werden solche fachistische Gedanken geäusert und in die Tat umgesetzt wie z.B die letzten 13 Jahren.

    Migranten sind Teil dieser Geselschaft und müssen auch so betrachtet werden.

    Der Staat macht diese Menschen bei jeder Krise die Migranten zum Sündenbock, obwohl die ausbeuterische kapitalistische Politik der Grund vieler Krisen ist z.B Wirtschafts-Banken- und die Finanzkrise).

    Das muss aufhören. Diese Menschen müssen die gleichen sozialen und politischen Rechte haben wie jeder anderer Staatsbürger. Wir müssen von den Grundrechten (Grundgesetz) angefangen werden. Es dürfen nicht nur Deutsche-Grundrechte geben. Diese für Deutsche geltenden Grundrechte müssen in Menschenrechte aufgehen. Daraus müssen Jedermanns-Grundrechte entstehen. Wir müssen diese meschen ohne einen Vorurteil am sozialen und politischen Leben teilhebenlassen, damit diese faschistische Organisationen keine Nährboden mehr für ihre Politik finden.

  • K
    Kampf_gegen_Nazis

    Auch in anderen Gegenden sind derartige Listen aufgetaucht und auch schon Leute verprügelt worden. Es ist wichtig, dass zumindest alle Linken endlich verstehen:

     

    - Weder die Exekutivorgane der BRD noch die CDU werden uns oder die Demokratie schützen

    - Widerstand muss von uns kommen und kann zumindest was die Verteidigung angeht nicht nur friedlich sein

    - Der privaten Terror durch Nazis hat in der NSU zwar einen medienwirksamen Höhepunkt gefunden, ist aber ständig präsent, vor allem in den ländlichen Regionen

    - Solange Nazis wissen, dass sie i.d.R. ungestraft andere Menschen töten oder schwer verletzen können, wird sich daran nichts ändern.

     

    Darum: Bewaffnet euch, leistet Nothilfe.

  • D
    Dieter

    Und ist die Webseite schon runter vom Netz?

     

    ... Was hier nicht steht: Nach dem Zwickauer Terror-Trio weiß eben wirklich jeder, dass es bei Neonazis auch Leute gibt, die schießen (auch wenn die Polizei und das BKA das jahrelang nicht schnallen). Und insofern ist das mehr als eine Drohung - die Seite sollte vom Netz. Und von wegen Überfremdung: Die NPD verteilt zur Not auch Flugblätter auf Russisch oder Polnisch. Die inner-rechte Logik stimmt ja wohl auch nicht.

  • KK
    king kong

    hh steht innerhalb der rechten zwar für heil hitler, in verbindung mit dem internetportal ist es aber auf hansestadt hamburg zurückzuführen....

    es gibt auch mein-sh.info, hier steht sh für schleswig holstein, man könnte da zwar auch sieg heil interpretieren aber dagegen spricht die jeweils "regionale" berichterstattung...

  • L
    Leser

    HH ist vor allem das Autokennzeichen der Hansestadt Hamburg. Eigentlich für eine Hamburger Internetseite irgendwie passend.

  • WR
    Weiße Rose

    Sicherlich warten die Behörden - wie in Dunkeldeutschland - von RECHTSwegen, bis die feigen braunen Dumpfbacken den ersten 10 "undeutsch" wirkenden ins Gesicht geschossen oder sie sonstwie bestialisch ermordet haben! Denn genau das werden sie tun, wenn die Barbaren nicht vorher dahin kommen, wo sie zumindest weniger anrichten können: In die Sicherungsverwahrung der Haftanstalten bzw. die geschlossenen Abteilungen der forensischen Psychatrien.

    Politisch Verantwortliche werden unmittelbar zu Mittätern, wenn sie nicht umgehend und entschlossen diesem widerwärtigen Pack Einhalt gebieten!

  • S
    Stückweittraurig

    das ist ja furchtbar - schnell die Kerzenkette rausgeholt .

     

    noch kein Kommentar ? ist wohl auch irgendwie irrelevant - allerdinngs nicht für die EKD .