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Neonazi-Aufmarsch ohne Nachspiel

Das Fuldaer Landgericht lehnt einen Prozeß gegen die Organisatoren der rechtsextremen Demonstration vor drei Jahren ab. Die Stadt schlampte, und deshalb gilt der Aufmarsch als angemeldet  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Trommelwirbel, „Sieg-Heil“-Rufe, Reichskriegsflaggen und neonazistische Haßtiraden auf dem Fuldaer Domplatz. Das makabre Schauspiel, das etwa 500 Neonazis am 14. August 1993 in der hessischen Domstadt zum Gedenken an den sechs Jahre zuvor verstorbenen Hitler-Stellvertreter, Rudolf Heß, inszeniert hatten, bleibt strafrechtlich ohne Konsequenzen. Die Zweite Strafkammer des Landgerichts Fulda lehnte in einer gestern veröffentlichten Entscheidung ab, das Hauptverfahren gegen den führenden Kopf der deutschen Neonazi- Szene, den Hamburger Christian Worch, und den Kasseler Aktivisten der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), Dirk Winkel, wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu eröffnen. Die Veranstaltung, urteilten die Richter, sei „wirksam bei der Stadt Fulda angemeldet und nicht verboten worden“.

Seit dem Tod von Heß im Gefängnis von Berlin-Spandau mobilisieren deutsche und internationale Neonazis zu Gedenkmärschen. Aufgrund entsprechender Versammlungsverbote waren die Rechtsextremisten gezwungen, sich an immer neuen Versammlungsorten zu treffen. 1991 marschierten 2.000 Neonazis durch Bayreuth, ein Jahr später fielen sie in das thüringische Städtchen Rudolstadt ein.

Die Taktik, den Ort der zentralen Kundgebung erst wenige Stunden zuvor bekanntzugeben, wandten sie auch 1993 an. Nach einer Zickzackfahrt durch Thüringen trafen sich etwa 500 Neonazis nach einer generalstabsmäßigen Planung in Fulda und düpierten damit ein Großaufgebot der Polizei. Hessens Innenminister Herbert Günther rügte damals das „freundliche, fast kumpelhafte Verhalten“ einzelner Polizisten gegenüber den Neonazis. Sein Staatssekretär Christoph Kulenkampff mußte seinen Hut nehmen wegen „einfacher handwerklicher Fehler“ beim Einsatz. Den gröbsten Schnitzer leistete sich jedoch das Fuldaer Ordnungsamt. Dort hatte der 28jährige Dirk Winkel im Name der FAP eine Demonstration „von zirka 2.000 Kameraden zur Eröffnung des Europawahlkampfes“ beantragt und sein Schreiben mit „deutschem Gruß“ unterzeichnet. Im Ordnungsamt ließ man den Zettel unbeachtet liegen, da man ihn aufgrund fehlender Ort- und Zeitangaben nicht als ordnungsgemäße Anmeldung wertete.

Ganz anders urteilt das Landgericht. Die Veranstaltung sei „wirksam“ angemeldet worden. Das Ordnungsamt hätte nach dem fehlenden Datum selbst fragen müssen. Der Stadtverwaltung hätte es zu denken geben müssen, daß die Europawahl im Juni 1994 noch fern, der Heß-Jahrestag aber unmittelbar bevorstand. Die Staatsanwaltschaft kündigte eine Beschwerde gegen das Urteil beim Oberlandesgericht Frankfurt an.

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