Nein zur Uni GmbH & Co KG!

■ betr.: „Hörsaal“

Für mich liegt eine große Errungenschaft des Streiks in der Tatsache, daß das politische Desinteresse vieler Studenten gebrochen wurde und sie sich jetzt veranlaßt sehen, sowohl die Situation an den Hochschulen als auch in zunehmendem Maße die Entwicklung unserer Gesellschaft kritisch zu betrachten. Wünschenswert wäre, wenn diese Repolitisierung aus den Universitäten auch in andere Bereiche getragen würde.

Der Streik sollte nicht, wie es viele Politiker getan haben, als nicht ernstzunehmend abgetan werden. Heike Koch, Landau

betr.: „Schnell studieren ist das große Ziel“, taz vom 29./30. 97

[...] Abstrus ist das Anführen der Tatsache, daß sich nur zirka zehn Prozent am Streik beteiligen. Dies ist zwar ein trauriges Faktum, jedoch höchstens eine quantitative Analyse und kann nicht ein inhaltliches Argument genannt werden (immerhin wird auf den Vollversammlungen demokratisch über den Verlauf des Streikes abgestimmt); und daß das Verhalten der Masse niemals einen konstitutiv-imperativen Charakter für das Handeln des einzelnen besitzen darf, ist doch eine Erkenntnis, die jedem denkenden Menschen mit dem Eintritt in die Grundschule, spätestens aber bei der Behandlung des Themas „Drittes Reich“ im Geschichtsunterricht gekommen sein sollte.

[...] Richtig ist, daß kein Ideal die „Bewegung“ treibt, sondern vielmehr ein Ziel. Diese Unterscheidung ist essentiell, denn ein Ziel hat einige gewichtige Vor-, aber auch Nachteile gegenüber einem Ideal. Ein Ziel wie das unsere ist konkret, genau definiert, und läßt es zu, eine Gruppe darauf einzuschwören, mit exakt umrissenen Maßnahmen, dieses zu erreichen, was sich dann empirisch prüfen läßt, wodurch die Motivation höher (nicht aber sehr langfristig) ist als bei einem Ideal, das längeren Energieaufwandes bedarf und nicht so konkret geprüft werden kann.

Es ist notwendig, für ein Ziel gewisse Opfer zu bringen, und wenn man in diesem Falle das Opfer – einige Wochen verlorene Zeit – mit dem Ziel – Verhindern einer Elitebildung, eines von der Wirtschaft mit Hilfe ihrer Büttel, „unserer“ Mandatsträger, gesteuerten neoliberalen Sozialdarwinismus – in Relation setzt, so wird doch sicher einsichtig, daß dieses „Opfer“ nicht zuviel verlangt ist (um so mehr, als niemandem, für den viel von dem Besuch einer Veranstaltung abhängt, der Zugang zu dieser verwehrt wird). [...] Roman Oertel, Student

der Philosophie, Uni Bonn

Das Bild, das die Medien von den aktuellen Studentenstreiks zeichnen, konzentriert sich stark auf die Probleme leerer Kassen und überfüllter Hörsäle. Ein entscheidender Kritikpunkt der Studenten am neuen HRG ist jedoch die ermöglichte Privatisierung der Universitäten.

Wir leben in einer erklärten „sozialen Marktwirtschaft“. Über den sozialen Sektor hinaus gibt es aber weitere Bereiche unserer Gesellschaft, die seit Beginn dieser Demokratie als verteidigungswürdig gegen den Druck des Marktes gelten, wie zum Beispiel Sicherheit und Bereiche der Kultur. Zumindest bis jetzt gehört auch ein möglichst breiter Zugang zu einer möglichst vielfältigen Bildung zu den kulturellen Errungenschaften, die von der öffentlichen Hand gefördert werden. Diese Unterstützung leuchtet ein, wenn man sich bewußt macht, daß sich Fachbereiche wie beispielsweise Geschichte, Germanistik oder auch Politik kaum wirtschaftlich tragen, aber jeder von uns von ihrer Existenz als Kulturgut profitiert.

Im neuen HRG geplant ist nun aber, Hochschulen durch Deregulierung von Staat und Ländern dem freien Markt und so verstärkter Kontrolle durch die Wirtschaft auszusetzen. Bedeutet das den Untergang nichtprofitabler Fachbereiche? Das Interesse der Wirtschaft an Künstlern oder Politikwissenschaftlern oder an einem ethischen Anspruch von Pädagogen oder Medizinern ist jedenfalls gering einzuschätzen. „Entlassung der Bildung in die Freiheit“ nennt das Roman Herzog. Ich nenne es Dolchstoß für zwei der wichtigsten menschlichen Errungenschaften: freie Entwicklung und freier Zugang zu Bildung. Rainer Berak,

Student der Uni Köln