Neil Youngs Film über Crosby, Stills, Nash & Young: Gitarren vor riesigen Bäuchen
Gemeinsam protestierten sie schon gegen Vietnam. Vor zwei Jahren fanden sie wieder zusammen und sangen gegen den Irakkrieg - was jetzt Neil Youngs Film "CSNY - Déjà Vu" zeigt.
Als ich David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young in der Dokumentation "CSNY - Déjà Vu" sah, kam mir unwillkürlich Vergniauds Spruch von der Revolution in den Sinn, die ihre Kinder frisst. In den späten Sechzigerjahren haben Crosby, Stills, Nash & Young einer Menge Menschen etwas bedeutet, die mit der Forderung nach einem gesellschaftlichen und politischen Umbruch auf die Straße gegangen sind. "For Whats It Worth" von Neil Youngs und Stephen Stills erster Band Buffalo Springfield war die Hymne der Bewegung.
Vierzig Jahre später könnte man die Sache umdrehen und meinen, die Kinder hätten ihre Revolution gefressen - neben Bergen von Hot Dogs, Pizza und Drogen. Da stehen vier aufgedunsene, ältere Herren in ihren Freizeithemden vor mehreren tausend Menschen und haben sich nochmal die Gitarren vor ihre riesigen Bäuche geschnallt. Im Vergleich zu David Crosby sieht sogar Neil Young wie ein junger Gott aus. Und Stephen Stills fällt während eines Konzerts über ein Kabel, worauf er wie ein Käfer auf dem Rücken liegen bleibt. Statt sich von einem Roadie aufhelfen zu lassen, spielt er einfach am Boden weiter. Das ist wohl der Spirit, den die Fans von ihren Helden erwarten.
Die Notwendigkeit einer weiteren Crosby-Stills-Nash-&-Young-Reunion lässt sich nur aus den unmittelbaren Umständen ersehen. Wer jedoch daran gezweifelt hat, ob die Welt die alten Männer noch braucht, wird mit "CSNY - Déjà Vu" von Bernard Shakey (Youngs Pseudonym) eines Besseren belehrt. Sicher gibt es inzwischen genügend amerikanische Künstler, die sich zu einer politischen Stellungnahme bemüßigt fühlen. Aber Crosby, Stills, Nash und Young bringen eine Zeitzeugenschaft mit, die ihnen unbestreitbare Autorität verleiht. "Anderer Krieg, anderer Präsident, andere Zeiten - dieselben Probleme", fasst es im Film ein Konzertbesucher zusammen.
Die Grenze zwischen Nostalgie und Agitation verläuft in "CSNY - Déjà Vu" fließend, was Youngs Film durchaus sympathisch macht. Es ist vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, die Karriere von Crosby, Stills, Nash & Young noch einmal Revue passieren zu lassen. Vor allem Young hatte sich in der Vergangenheit ja gerne in die Nähe der großen Politik gestellt, wenn auch in mitunter dubiosen Allianzen. Vergessen, dass er einst Reagan unterstützte und Bushs "War against Terror" mit "Lets Roll" eine Erkennungsmelodie schenkte. Vor zwei Jahren nahm Young innerhalb einer Woche das Album "Living with War" auf; darauf befand sich ein Song mit dem berüchtigten Mitgröl-Refrain "Lets Impeach the President". Für die dazugehörige "Freedom of Speech"-Tour trommelte er seine alten Weggefährten zusammen. "CSNY - Déjà Vu" ist das Dokument dieser Tour, eine Art rollende Bestandsaufnahme Amerikas im Jahr sechs unter Bush. Mit im Tourbus saß sinnigerweise der bekannte Kriegsberichterstatter Michael Cerre als "embedded reporter".
Cerres Interviews mit Irak-Veteranen, mit Müttern gefallener Soldaten und mit Fans bilden das unaufgeregte Gegenstück zum körnigen Archivmaterial, das vor allem um eine Parallelisierung der Ereignisse bemüht ist. Darin liegt auch das Problem des Films, denn der Vergleich von Irak- und Vietnamkrieg erweist sich auf Dauer als argumentative Bürde. Für das Selbstverständnis der Band ist die Vietnam-Erfahrung jedoch unerlässlich. Cerre übernimmt in "CSNY - Déjà Vu" den Part von Michael Moore. In dieser Funktion geht er auch schon mal dahin, wo es wehtut: ins Konzertgetümmel von Atlanta zum Beispiel, wo Youngs Anti-Bush-Tiraden einen kleinen Tumult auslösen. Die Kommentare einiger aufgebrachter Fans sind für sich gesehen schon grandiose Zeitdokumente.
An ihnen zeigt sich aber erneut, wie wenig Musik heute noch als sinn-und identitätsstiftende Erfahrung taugt. Auch die Songs von Crosby, Stills, Nash & Young sind nicht davor gefeit, zu Schunkelhits degradiert zu werden, deren politische Message nicht mehr als ein störendes Rauschen bleibt. Die Musik sei ja immer noch ganz toll, sagt ein frustrierter Zuschauer sinngemäß - aber die Texte? Dem rauschhaften Gemeinschaftsgefühl tut das keinen Abbruch. Es ist schon rührend mitanzusehen, wenn sich die alten Männer am Ende in den Armen liegen. Ihr Film ist auch ein kleiner Triumph für das politische Lied.
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