Negativzinsen in der Schweiz: Anleger sind wild auf Verlust
Wer in der Schweiz Geld anlegen will, muss derzeit zuzahlen. Mit "Minuszinsen" soll der Anstieg des Franken gestoppt werden. Die Investoren kommen dennoch.
HAMBURG taz | Es scheint paradox: Wer sein Geld in der Schweiz anlegen will, kriegt dafür keine Zinsen mehr, sondern muss zuzahlen. Doch trotz eines Minuszinssatzes von 0,75 Prozent werden der Notenbank die Staatsanleihen der Eidgenossenschaft quasi aus den Händen gerissen: Anleger aus aller Welt waren in dieser Woche bereit, umgerechnet fast 7 Milliarden Euro in das Verlustgeschäft zu investieren.
Deutsche Steuerflüchtlinge, französische Banken, Investmentfonds aus den USA und die chinesische Notenbank legen seit Monaten ihr Geld verstärkt in der Alpenrepublik an, aus Angst vor möglicherweise noch größeren Verlusten in anderen Währungen. Profiinvestoren setzen "auf Sicherheit, nicht auf Rendite", erklärt ein Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements den Ansturm.
"Viele Investoren sehen die allgemeine wirtschaftliche Lage skeptisch", erklärt auch Fabian Heller von der Credit Suisse den Franken-Run. Es seien vor allem Euro-Kunden, die "den sicheren Hafen" ansteuern. Analyst Heller zeigt Verständnis: "Euro und Staatsverschuldung sind eigentlich ungelöste Probleme."
Kurs in astronomischen Höhen
Wegen der Krise von Dollar und Euro ist der Schweizer Franken zurzeit die große unter den kleinen Währungen der Welt. Der stete Kapitalzufluss, also die große Nachfrage, hat den Kurs in astronomische Höhen getrieben. Zwischenzeitlich kostete ein Franken nahezu einen Euro. Noch stärker ist der Anstieg gegenüber Dollar, Pfund und Yen.
Schon vorletzte Woche hatte die Nationalbank Staatsanleihen der Schweiz für minus 1,0 Prozent angeboten. Institutionelle Anleger wollten trotzdem fast 8 Milliarden Euro in Franken investieren. Unter dem Strich kann sich das auszahlen - wenn der Frankenkurs weiter steigt.
Kredit aufzunehmen lohnt sich daher für die Regierung der Schweiz inzwischen. Muss sie doch in einem Vierteljahr weniger Geld zurückzahlen, als sie heute bekommt. "Der Bund macht Schulden und verdient noch dabei", geistert als Bonmot durch die schweizerischen Gazetten. Bern hat es allerdings kaum nötig: Für dieses Jahr wird im Haushalt ein Überschuss von 2,5 Milliarden Franken erwartet.
Ganz neu ist die derzeitige Situation nicht. "Negativzinsen hat es historisch schon öfter gegeben", erklärt Lena Jaroszek, Finanzmarktexpertin des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Auf Einlagen von Ausländern wurden in den sechziger und siebziger Jahren Strafzinsen von bis zu 10 Prozent im Vierteljahr erhoben. Damit wollte die Schweizer Regierung schon damals einen übermäßigen Kapitalzufluss aus dem Ausland abwehren.
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