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■ Nebensachen aus San SalvadorEin akademischer Titel muß es sein

El Salvador ist seit 177 Jahren von der spanischen Krone unabhängig und sehr stolz auf seine republikanische Tradition. Daß über ein Drittel dieser Zeit die Militärs auf eine ganz und gar nicht republikanische Art herrschten, spielt dabei keine Rolle. Vizekönige und anderes Adelsgesocks wurden aus Zentralamerika vertrieben, erbliche Titel abgeschafft. Allenfalls auf dem Land blieb die Anrede „Don“ („Herr“) erhalten.

In der Stadt zählen heute ganz andere Titel: „Licenciado“, „Ingeniero“, „Maestro“, „Doctor“. Aber bitte nicht „Profesor“. Ein „Profesor“ nämlich ist ein Lehrer und bekommt seinen Titel schon nach einem dreijährigen Kurzstudium. Im Gegensatz dazu sind die anderen Titel die Eintrittskarte in die bessere Gesellschaft.

Zudem haben diese Titel etwas Praktisches an sich: Man braucht sich die Namen ihrer Träger nicht zu merken. In Behörden ist dies sehr praktisch. Zwar trägt kaum ein Beamter diesen Titel, sondern sitzt wegen seiner Parteizugehörigkeit auf seinem Posten. Doch wenn man sein Begehren mit „Licenciado, könnten Sie vielleicht ...“ beginnt, hat man mehr Aussichten, überhaupt nur gehört zu werden.

Auch für eine politische Karriere sind solche Titel unabdingbar. Alfredo Cristiani zum Beispiel, Vorsitzender der regierenden Rechtspartei ARENA, hat nur Abitur und dürfte sich lediglich „Bachiller“ nennen. Doch er läßt sich schon so lange „Licenciado“ nennen, daß jeder glaubt, er sei es tatsächlich.

Mit dem Vorsatz „Ingeniero“ schmückt sich auch der Verleger der rechten Tageszeitung „El Diario de Hoy“, Enrique Altamirano. Sein Lebenslauf sagt, er habe in Deutschland schöngeistige Fächer studiert, für die ein Ingenieurstitel zumindest äußerst ungewöhnlich wäre. Doch immerhin: Es war der „Diario de Hoy“, der Francisco Flores, den ARENA-Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im März kommenden Jahres, der Hochstapelei überführte.

Die Partei hatte auch allzusehr übertrieben. Sie hatte Flores als gebildeten Menschen vorgestellt, der es in den USA nicht nur zu Licenciaturas in Politikwissenschaften, Soziologie, Philosophie und Ökonomie gebracht habe. Er sei sogar Dozent an der Universität Hartford gewesen. Die Zeitung fand heraus, daß Flores tatsächlich einen akademischen Titel hat. Allerdings von einer obskuren „World University“, an der man so schöne Dinge wie Astrologie oder Transpersonale Psychologie studieren kann.

Kleinlaut gestand Flores ein, daß er nur einmal in einem Seminar ein Referat gehalten habe. Inzwischen aber hat der Wahlkampf begonnen, und die peinliche Panne ist vergessen. Flores brilliert mit einer „Licenciatura“ in Politik, einer „Maestria“ in Philosophie und Graduiertenkursen in Jura und Ökonomie.

Die FMLN sieht dagegen alt aus. Jedermann weiß, daß sich ihre Führungskader bereits in jungen Jahren der Guerrilla angeschlossen haben. Akademische Titel waren da nicht drin. Ihr Präsidentschaftskandidat Facundo Guardado etwa ist auf dem Land aufgewachsen und mußte schon als Kind aufs Maisfeld. Langsam ging es in den letzten Wochen auch mit Guardados Lebenslaufbergauf. Inzwischen hat der Kandidat das neunte Schuljahr abgeschlossen und verfügt über den vorher unbekannten Titel eines „Agrartechnikers“. Toni Keppeler

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