■ Nebensachen aus Peking: „Das Kaufhaus grüßt die Konferenz“
Die Weltfrauenkonferenz in Peking hat auch ihre schönen Momente. Was selbst kühnste Feministinnen nicht zu erträumen wagten, ist in China Wirklichkeit geworden: „Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden“ fordert das Kempinski-Hotel, eines der feinsten Herbergen der chinesischen Hauptstadt. An seiner Fassade flattern die Transparente mit den Parolen zu der Frauenkonferenz im Winde. Sie künden davon, daß das Management erkannt hat, wie ineffektiv das alte Patriarchat funktioniert.
Mit dieser Einsicht steht es offensichtlich nicht allein. Auch andere Hotels, Handelszentren, Tankstellen, Behörden und Schulen bekennen sich offen zur neuen Zeit der Frauen. Spruchbänder an Kaufhäusern ermutigen gar den weiblichen Teil der Menschheit, sich auf die eigenen Beine zu stellen; sie propagieren die „Vier Selbst“, die der Frauenverband den Chinesinnen auf den Weg gibt: „Selbstvertrauen, Selbstrespekt, Selbständigkeit, Selbststärkung.“
Es ist ein großes Glück für die Delegierten aus aller Welt, die jetzt nach Peking gekommen sind, daß einige Transparente nicht nur die chinesischen Zeichen, sondern auch eine englische Übersetzung führen. Die ist allerdings in vielen Fällen rücksichtslos ehrlich.
So grüßte ein über die Straße gespanntes Spruchband die Teilnehmerinnen des alternativen Frauenforums, das in den 50 Kilometer vom Zentrum Pekings entfernten Ort Huairou verbannt worden war, kurz vor ihrer Ankunft: „Willkommen im Tourismusgebiet von Huairou. Erwarten Sie, daß sich alles nach Wunsch entwickelt.“ Auf dem Rückweg allerdings wurde nichts beschönigt: „You are driven out of Huairou tourism industry area“, was soviel heißt wie: „Sie werden aus dem touristischen Industriegebiet von Huairou vertrieben.“
Bei der Frauenkonferenz (Forth World Conference on Women, kurz FWCW) handelt es sich um ein politisch bedeutendes Ereignis und nicht um ein Deckchensticken. Das zeigt schon der strenge, von Parteitagsparolen bekannte Ton vieler Transparente: „Hail the convocation of the FWCW!“ – „Preiset die Einberufung der 4. Weltfrauenkonferenz!“ – oder: „Ein würdiger Gastgeber der 4. Weltfrauenkonferenz sein!“.
Letzteres prangt mit Vorliebe über den Eingängen der internationalen Hotels und führt bei den Delegierten hie und da zur Verwirrung. Wenn sich die erschöpfte Besucherin dann im Restaurant des Peace Hotels niederläßt, kann sie eine seltsam formulierte englische Notiz des Generalmanagers vorfinden: „Liebe Gäste, wir führen gerade den Monat der lächelnden Service-Aktivitäten durch, um die FWCW 95 zu feiern. Wir sind dankbar, daß Sie freundlicherweise jene Person wählen, die Sie befriedigt macht, und daß sie seinen oder ihren Namen niederschreiben, und daß Sie uns bitte Ihre Eindrücke und Vorschläge mitteilen. Wir hoffen, daß Sie eine angenehme Zeit im Peace Hotel verbringen. Hochachtungsvoll, Gekritzel, General Manager.“
Für die praktischen Aspekte der Durchführung der Frauenkonferenz ist das China Organizing Committee (COC) zuständig. Es hat sich natürlich auch Gedanken um das generelle Wohl der Delegierten gemacht. Wie die Reklametafeln, die den Weg zum Pekinger Konferenzzentrum säumen, verraten, gibt es daher bestimmte Produkte, die exklusiv zu Weltfrauenkonferenz-Produkten bestimmt wurden.
Dazu zählt die professionelle Hautpflegeserie „Plant“, die „garantiert für Ihr Vertrauen“ ist. Daunendecken und -kleidung der Marke Golden Horse bringen den TeilnehmerInnen „Frühling im Winter“. Wer immer noch friert oder aus anderen Gründen Trost sucht, kann sich dem „Fen Jiu“ zuwenden. Das ist der vom COC für die FWCW ebenfalls exklusiv ernannte Schnaps.
Abseits der Konferenzzentren, Hauptstraßen und großen Hotels aber verschwinden die Hinweise auf das Frauentreffen wieder unter den zahlreichen konkurrierenden Parolen wie „Packt alle an, um die Hauptstadt zu verschönen!“ oder „Vorsicht im Verkehr!“. Doch da, endlich taucht eine auf: „Das Kaufhaus grüßt die Konferenz!“ Jutta Lietsch
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