■ Nebensachen aus Nairobi: Jeder kann gerettet werden. Oder von Geld, Mensch und Gott
In der Stadt hatte mir jemand einen Zettel in die Hand gedrückt. Es war der Spendenumschlag eines „Maximum Miracle Center“, der dem Leser gleichzeitig ein Buch ans Herz legte: „Geld, Mensch und Gott. Ein Muß für alle, die vom Reichtum ÜBERWÄLTIGT [so im Original] werden wollen.“
Da ich schon seit jeher für überwältigenden Reichtum zu haben war, ging ich auf einen der nächsten „Kreuzzüge“ des Wunder-Zentrums. Der Mann der Wunder hieß Pastor Pius Muiru – von den Hängen des Mount Kenia. Pastor Muiri ist ein Vertreter jener hyperprotestantischen Sekten, denen eines gemeinsam ist:der Glaube, daß der Jüngste Tag greifbar nahe sei. Deshalb bieten sie einen Service an, der sich in Kenia großer Beliebtheit erfreut: Jeder kann „errettet“ werden. Man darf nicht rauchen, nicht trinken und keinen vor- oder außerehelichen Sex haben. Nach dem Jüngsten Tag wartet dann das Paradies, während der große Rest in die Hölle fährt. Daß auf der Veranstaltung des Wunder-Zentrums deutlich mehr Frauen als Männer zu sehen sind, erklärte sich mein Nachbar so: „Die Männer lieben das Bier so sehr.“
Die ersten zwei Stunden des „Kreuzzuges“ vergehen mit religiöser Musik, unterlegt mit dem tanzbaren Rhythmus der kongolesischen Lingala-Musik, die inzwischen den ganzen Kontinent infiziert hat. Auf der Bühne erscheint anschließend Pastor Muiru, gekleidet in eine Phantasieuniform. Mit sonorer Stimme kasteit er den Teufel, was die Menge mit „Ja“ oder „Amen“ quittiert.
Er bittet diejenigen mit Gebrechen, vor die Bühne zu treten. „Hebt die Hände in die Höhe!“ brüllt er ins Mikrofon. „Verlasse nun den Körper, Leibhaftiger!“ Und nach einigen Minuten der Wiederholung seiner rhythmischen und beschwörenden Formeln verwandelt sich die Menge in einen Haufen ekstatisch zukkender Gestalten. Pastor Muiri steigert sich immer mehr und schließt mit einem gewaltigen, finalen Schrei, der einige der Genesenden wie gefällte Bäume nach hinten stürzen läßt.
Dann drängeln sich rund 50 Geheilte auf die Bühne, um das Wunder zu bezeugen. Eine hüpft wie ein Gummiball und ruft dabei: „Ich hatte Schmerzen in der Seite. Nun kann ich wieder springen.“ Eine andere rudert wie wild mit den Armen und erklärt: „Ich konnte meine Arme nicht bewegen!“ Mein Nachbar zur Linken hat es auch ganz gut getroffen. Blind kam er hierher, am Ende kann er nur nicht mehr sehen.
Und was ist mit dem „überwältigenden Reichtum“? „Pastor Muiru“, erklärte gleich zu Beginn mein Nachbar zur Rechten, der wegen des Kreuzzuges extra aus dem 150 Kilometer entfernten Nakuru gekommen ist, mit einem säuerlichen Lächeln, „hat sich schon wieder einen neuen Landcruiser gekauft.“
Doch nicht etwa von den Spendenumschlägen? Denn auch auf dem Kreuzzug werden sie in Massen verteilt und wieder eingesammelt. Dabei sind die Forderungen darauf durchaus moderat: „An Freitagen und Sonntagen sind unsere Gabentage für die Fernseh- und Radioprogramme. Da Gott dich reich gemacht hat, geben wir dann sechs Mark und mehr.“ Und alle sind natürlich gute Christen, wenn auch einige Vorsichtsmaßnahmen angebracht zu sein scheinen: „Um einen guten Fluß der Gaben zu gewährleisten, raten wir dir, deinen Umschlag persönlich in den Gabenkorb zu legen. Gib den Umschlag keinem Kirchenmitarbeiter: Möge Gott dich reich machen!“ Peter Böhm
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