■ Nebensachen aus Nairobi: Über die Schwierigkeit, eine ehrliche Mark zu machen
Ein ehrlicher Mensch in Kenia zu sein ist eines der schwierigsten Dinge, die man sich ausdenken kann“, schreibt der junge Sonntags-Kolumnist der unabhängigen kenianischen Tageszeitung Daily Nation, Mutuma Mathiu. „Völlig abgesehen von den Schwierigkeiten, eine ehrliche Mark zu machen, die zu zahlreich, langweilig und gewöhnlich sind, um sie aufzuzählen, gibt es soziale Übel und Laster jeglicher Art, die – glaube mir! – schrecklich entmutigend sind.“
Das mag übertrieben erscheinen. Aber dann geschieht Mitte November in Nairobi Folgendes: Die Polizei wird zu einem Banküberfall in den Nobelvorort Westlands gerufen und liefert sich einen Schusswechsel mit den Räubern, die deshalb die Beute, umgerechnet 300.000 Mark, zurücklassen müssen. Nach ein paar Stunden muss die Polizei erneut anrücken. Fast die Hälfte der Beute fehlt. Die Bank wird geschlossen, alle werden gefilzt. „Ein Kassierer hatte sich 750 Mark in die Taschen gestopft“, berichtet am selben Tag Nairobis Polizeichef. „Eine Bote wurde unter ungeklärten Umständen mit 500 Mark angetroffen.“ Und wo ist der große Rest des Geldes? Die Bank behauptet, dass 140.000 Mark fehlen. Die Polizei vermutet nun, dass die Bankangestellten, die Räuber und die Beschäftigten der Supermarktkette, die das Geld am Morgen gebracht hatten, zusammenarbeiteten und das Geld schon gestohlen wurde, bevor die Räuber kamen.
Das kann vorkommen. Fast alle Preise in Kenia haben beinahe europäisches Niveau, während ein ungelernter Arbeiter monatlich einen guten europäischen Stundenlohn verdient. Da ist so etwas ja kein Wunder!
Doch dann wird die Polizei erneut zu einem Banküberfall gerufen, wieder nach Westlands. Die Räuber erbeuten 150.000 Mark, halten einen Minibus an und fliehen. Zeugen merken sich das Kennzeichen, die Polizei macht den Fahrer und das Versteck ausfindig. Bei einem Schusswechsel werden zwei Räuber getötet. Wenige Tage später gibt die Polizei eine Pressekonferenz. Neun Polizisten seien wegen des Diebstahls von 35.000 Mark, eines Teils des gestohlenen Geldes, festgenommen worden. Gegen Schaulustige, die sich auch bedient haben, werde ermittelt.
Das ist eine Version der Ereignisse. Die andere, die in einer Lokalzeitung kolportiert wurde, lautet: Die festgenommenen Polizisten behaupten, sie hätten die gesamten 150.000 Mark entdeckt. Dann aber seien hochrangige Kollegen einer Sondereinheit – deren Chef später die Pressekonferenz geben wird – dazugekommen, hätten die Beute an sich genommen und seien mit den neun und 35.000 Mark von einer Polizeistation zur nächsten gefahren, um sie des Diebstahls zu bezichtigen. Wo ist der Rest des Geldes? Wer kann das schon sagen! Weil die Banküberfälle sich in letzter Zeit häufen, die Polizei so schnell, wie es sonst gar nicht ihre Art ist, am Tatort ist, und weil die Überfälle meist damit enden, dass die Räuber erschossen werden, kursiert nun das Gerücht, die Polizei stecke selbst hinter den Raubüberfällen.
Die „sozialen Übel und Laster“, die einen in Kenia daran hindern, „eine ehrliche Mark zu machen“, sind im Übrigen, wie sich in der Sonntags-Kolumne herausstellt, Prostitution, Alkohol und Drogen. Meine Güte, muss das schwierig sein, ehrlich zu bleiben. Glaube mir! Peter Böhm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen