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■ Nebensachen aus MinskZum Nachtisch: „Eros“ und „Iris“

Der Herr mit Fliege und Weste bringt die Speisekarte. Verschiedene Salate, Pilzsuppe, der unvermeidliche Borschtsch, Schaschlik, wahlweise mit gebratenen Kartoffeln, Bier, Wein und Wodka. „Im Restaurant gegenüber kostet ein Steak umgerechnet 40 Dollar“, sagt unsere Bekannte Olena und winkt ab. Hier sind die Preise für weißrussische Verhältnisse zwar immer noch hoch, aber doch um einiges moderater. Und das „Menü“ hat es in sich. Auf der letzten Seite steht unter der Überschrift „Desserts“ Zigaretten (Marlboro), Präservative, Kerzen, Metallspieße für Schaschlik. Man stelle sich das Szenario nach erfolgreich beendetem Restaurantbesuch zu Hause vor: Im Schein einer Kerze eine Zigarette rauchend, der Schaschlik bruzzelt auf dem Grill und bis das Nachtmahl fertig ist...

Wir sind neugierig. Ja, ja, das seien richtige Präservative, verkauft habe sie hier allerdings noch keine, sagt die blondierte Kellnerin und blickt verlegen zur Seite.

Ob wir mal sehen können? Nach ein paar Minuten kommt die Bedienung, legt ein schwarzes Päckchen auf den Tisch und verschwindet sofort wieder. „Eros“, produziert beim einstigen sozialistischen Bruder Tschechien, besteht aus drei Einzelexemplaren in europäischer Größe nebst Bedienungsanleitung. Die allerdings nur auf Englisch und Tschechisch. Auch an den Fall, daß potentielle Benutzer keiner dieser beiden Sprachen mächtig sind, haben die Hersteller gedacht: Vier Skizzen illustrieren die korrekte Handhabung, bei genauer Imitation sind „sicherer Sex, Gefühlsechtheit und Freude“ garantiert.

Plötzlich steht die Kellnerin wieder am Tisch. „Was ist, nehmen Sie nun die Präservative?“ fragt sie nervös. Offenbar will sie die leidige Gummigeschichte endlich hinter sich bringen.

„Vielleicht können wir die heute abend ja noch gebrauchen“, grinst Olena, „dann bräuchte aber jede von uns...“ Zwei Minuten später hat „Eros“ doppelte Gesellschaft bekommen. Seine Schwestern heißen „Iris“ und sind im Gegensatz zu ihrem männlichen Pendant in zartrosa verpackt.

Die junge Dame mit Schürzchen, Kugelschreiber und Notizblock verliert allmählich die Geduld. Ihr Blick ist unzweideutig. Mit der theoretischen Produktprüfung müsse es jetzt genug sein. „Was ist denn nun?“ fragt sie noch einmal mit fast drohendem Unterton und verweist gleich darauf, daß sie auf sofortige Bezahlung bestehen müsse, auch zwischen zweitem und drittem Gang. Nach getätigtem Kauf sinniert Olena, vielleicht sei das mit den Präservativen ja auch so gedacht: Zwei Menschen lernen sich in diesem Restaurant zufällig kennen. Sie futtern sich durch die Speisekarte, kommen sich dabei näher und stoßen am Ende auf... Der Entschluß, auch die Nacht zusammen zu verbringen, könnte durch diese Entdeckung in der Dessertspalte befördert werden, zumal sie sich die notwendigen Utensilien nicht noch woanders besorgen müssen.

Die Kellnerin ließ sich übrigens an diesem Abend an unserem Tisch nicht mehr blicken. Die Zeche für Essen und Getränke einzutreiben, kam eine andere. Barbara Oertel

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