■ Nebensachen aus Kairo: Mit der Pille durch den Ramadan
Nachts glitzert und blinkt es in Kairos Straßen. Überall wird bis in den frühen Morgen gefeiert. Die Tische biegen sich unter den Köstlichkeiten. Tagsüber schleppen sich die Menschen mürrisch und mit leeren Mägen für einige Stunden pro forma zur Arbeit. Kurz: Es ist Ramadan, der islamische Fastenmonat.
Dabei nehmen manche Gepflogenheiten mitunter ziemlich absurde Züge an. Mit steigender Religiosität wuchs in den letzten Jahren auch der Eifer, besonders hingebungsvoll zu fasten. Frauen bilden dabei keine Ausnahme – und das, obwohl sie zeitweise aus dem kollektiven Fastenerlebnis ausgeschlossen bleiben. Laut islamischen Regeln sind sie während der Menstruation von ihren religiösen Pflichten, also auch dem Fasten, freigestellt. In den islamischen Quellen werden sie in dieser Zeit als zu „unrein“ betrachtet, um ihre religiösen Obliegenheiten angemessen zu erfüllen – ja selbst einen Koran zu berühren.
Ein religiöser Grundsatz, der nach Meinung ägyptischer Ärzte und Psychologen für einige Frauen zu einer Art Menstruationstrauma führt. Das manifestiert sich oft im Umgang mit der Farbe Rot und in der Tatsache, daß manche Frauen sich vor roten Alltäglichkeiten wie etwa Tomaten ekeln.
Auch beim gemeinschaftlichen Fasten und allabendlichen Fastenbrechen fühlen sich einige der gottesfürchtigen Frauen diskriminiert. Anstatt männliche Interpretationen über das Timing religiöser Pflichten anzuzweifeln, sucht so manche Hilfe bei der Pharmaindustrie. Um es den Männern im einmonatigen Fasten gleichzutun kamen sie auf Idee mit der Pille. Denn ein, zwei Monate geschluckt, führt das zur hormonellen Gleichschaltung: Die Periode bleibt aus, und damit heißt es: Gleiche religiöse Pflichten für alle. Niemand kann mehr als unfit oder gar unrein betrachtet werden.
„Ich kann nicht drei bis fünf Tage des Fastens verpassen. Das sind 30 einzigartige und heilige Tage im Jahr, in denen ich den Koran lese und bete. Die Pille ist für mich eine große Errungenschaft“, sagte eine Frau gegenüber einer ägyptischen Zeitung freimütig. Andere Frauen sehen darin gar eine Methode, auf medizinische Weise endlich zur religiösen Gleichberechtigung zu gelangen. „Ich arbeite, und ich faste den ganzen Ramadan und möchte auf allen Ebenen gleich behandelt werden wie die Männer“, erklärt eine andere Ägypterin selbstbewußt.
Die männlichen Professoren des Fatwa-Komitees der Azhar- Universität, wie Abdel Motagalli Khalifa, segnen den neuen Trend ab. Antibabypillen seien halal – islamisch erlaubt –, sagt er, solange sich hinter ihrer Einnahme eine gute Absicht verberge. Nur einige Gynäkolgen wollen nicht mitziehen und warnen vor Gesundheitsschäden.
Eine Erfahrung, die auch eine gute Kairoer Freundin gemacht hatte. Letztes Jahr während des Ramadan habe sie unbedingt den Koran rezitieren müssen, um ein Unglück von ihrer Familie abzuwenden, erzählte sie mir. Dazu habe sie auch zu der unkonventionellen Pillenmethode gegriffen. Sie würde es allerdings nie wieder tun. Als sie mit ihren zwei Packungen durch war, hatte sie zwar das Unglück verhindert, dafür aber massive gesundheitliche Probleme in den unheiligen Monaten nach Ramadan. Karim El-Gawhary
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