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■ Nebensachen aus KairoJeder Dandy hat ein Handy

„Mama, machst du heute abend wieder gefüllte Paprikaschoten“, fragt der junge Trendy mit lauter Stimme zum Mithören, während er mittags im Kairoer Kentucky Fried Chicken in der Schlange auf sein Fastfood-Essen wartet. Vermittelt wird dieses profunde Gespräch durch den neuesten technologischen Segen, der sich seit Ende vergangenen Jahres über das Land am Nil ergossen hat: „Al-Mahmuul“, das Tragbare – gemeint ist das Telefon.

Ende letzten Jahres wurde der Startschuß ins mobile Gesprächs- Zeitalter abgefeuert. Nach langem Hin und Her beschloß die Regierung: Modernes Image kommt vor nationaler Sicherheit. Jahrelang hatte das Innenministerium die Einführung der neuen Technologie verhindert. Es könnte militanten Islamisten bei ihren Anschlägen dienen und sei schwer abhörbar.

Seitdem war den Kommunikations-Dynamikern allerdings nichts mehr heilig. Selbst beim Fastenbrechen im islamischen Fastenmonat Ramadan piepten fortan die Telefone, kaum waren die ersten langersehnten Bisse des Tages heruntergeschluckt. Der Sprecher des ägyptischen Parlaments wies unlängst die Mitglieder des hohen Hauses an, in Zukunft die neuen Geräte bitte nicht mehr im Plenarsaal zu benutzen. Auch das Erziehungsministerium überlegt derzeit, das mobile Plauderkästchen in den Klassenräumen zu ächten.

Die, die eins haben, müssen es den Habenichtsen vorführen. „Fachfacha“ – grenzenloses Protzen – nennt sich dieses Phänomen, das zu den Lieblingsbeschäftigungen der oberen Zehntausend zählt. Anstatt nach dem Hörer des ordinären Telefons zu greifen, lehnt sich in den teureren klimatisierten Büros in Kairos Innenstadt so manch hoher Angestellter bequem zurück und zückt eindruckschindend sein gesprächsbereites Handy. Ganz zu schweigen von jenen, die in den teuren Cafés demonstrativ zum Handy greifen, während sie hastig an ihrer Wasserpfeife ziehen.

Das Handy-Geschäft läuft ausgezeichnet. Von Nutzen ist das Ganze aber nicht nur für die Geschäftemacher und für das Selbstwertgefühl der „fetten Katzen“, wie die Neureichen in Ägypten genannt werden. Auch der Staatssäckel freut sich. Dessen Eintreiber haben beschlossen, jene erbarmungslos zu melken, die sich in dem unerschütterlichen Glauben befinden, daß die 24stündige Erreichbarkeit für ihr weiteres Leben unabdingbar ist.

Die für den Kauf und für jeden registrierten Monat zu entrichtenden Gebühren übersteigen leicht das jährliche durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von 750 Dollar. Das beinhaltet selbstverständlich nicht die Kosten für die Gespräche, die ein Vielfaches über den Preisen der Strippentelefone liegen. Die unentbehrliche drahtlose Paprikaschoten-Information war also teuer erkauft.

Für dieses Jahr werden die Einnahmen der staatlichen ägyptischen Telecom auf eine Milliarde Dollar veranschlagt. Damit stehen deren Einnahmen an vierter Stelle hinter Erdöl, Tourismus und Suez-Kanal-Gebühren. Vielleicht kommen diese am Ende auch jenen zugute, die sich bisher nur die wie echt piepsende Spielzeug-Version des tragbaren Telefons leisten können, das sich bei den Straßenhändlern Kairos als einer der Hits der letzten Monate erwiesen hat. Immerhin verspricht die ägyptische Telecom die heutige Dichte von sieben Telefonleitungen pro hundert Einwohner bis zum Jahr 2002 zu verdoppeln. Karim El-Gawhary

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