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■ Nebensachen aus KairoÄgyptens Männer lechzen nach Viagra

Seit einer Woche ist sie in Kairo in aller Munde – zumindest im übertragenen Sinne. Sechs von 10 Apothekenbesuchern fragen angeblich nach ihr: Al-Haba Al- Zarqa, die blaue Pille, vom Volksmund auch getauft: die Glücksehen-Kapsel. „Viagra“, die neue US-Pharma-Therapie für den impotenten Mann, erobert Ägypten.

Laut einer brisanten Studie der Kairoer Universitätsklinik sollen nahezu ein Drittel aller Ehemänner am Nil unter verschiedenen Arten der Impotenz leiden. Über zwei Millionen Ägypter, so berichtete unlängst die halbamtliche Tageszeitung Al-Ahram, sollen verzweifelt nach der Wunderpille lechzen. Was soll's, wollte man meinen, wäre da nicht das ägyptische Gesundheitsministerium. Das weigert sich bisher strickt, den neuen Potenzsteigerer zuzulassen. Erst müßten die Nebenwirkungen erforscht werden, heißt es bei der entsprechenden Zulassungsbehörde. Immerhin liegen drei Männer, die die Pille eingenommen haben, bereits auf der Intensivstation – darunter ein bekannter 70jähriger, aber namentlich nicht genannter Schauspieler. Nun spekuliert die ganze Stadt über seine Identität.

So bleibt das erektionsförderne Wunderding vorläufig auf dem ägyptischen Index. Aber was sind schon bürokratischen Dämme angesichts der maskulinen Verzagtheit. Zahlreiche Kairoer Apotheken haben schon längst begonnen, das Zeug unter dem Ladentisch an den Mann zu bringen. Für ungerechnet zwanzig Mark ist die einzelne Pille allerorten zu ersteigern. Trotz des für ägyptische Verhältnisse horrenden Preises scheint die Nachfrage ungebrochen. „Ich verkaufe nur noch an meine Freunde und die Kunden, die ich gut kenne. Ich kann nicht jeden zufriedenstellen“, erzählt ein Apotheker.

Von oben versucht man jetzt, der ganze heikle Geschichte zu bremsen. Der Flughafenzoll wurde angewiesen, vor allem auf die aus den USA mehrmals täglich einfliegenden Pillenbomber, ein besonderes Augenmerk zu werfen. Gegen mehrere Apotheker läuft bereits ein Verfahren. Waren die Zeitungen zu Beginn voll von ausschweifenden Berichten über das neue Heilmittel, erschienen die blauen Pillen im zweiten Teil der Woche zunehmend nur noch auf den lokalen Mord-und-Totschlag-Seiten der Tagespresse. Die Polizei vermeldet erste Erfolge mit Hilfe von Undercover-Einkäufern. Über fünftausend Kapseln wurden allein in einer einzigen Apotheke in Kairo beschlagnahmt. Der Karikaturist der Tageszeitung Al- Akhbar scheint nicht vollends überzeugt. Sein neuestes Werk zeigt einen vermeintlich hochrangigen Beamten, der seinem Kollegen erfreut berichtet: „Gestern haben wir wieder eine große Menge Viagra beschlagnahmt.“ „Und“, forscht der andere nach, „wie hat's gewirkt“?

Legal oder illegal – wenig gut positionierte Beamte oder dem überwiegenden in Armut lebenden Volk bleibt sowieso nichts anderes übrig, als weiter auf die seit Jahrhunderten bewährten Hausmittel zurückzugreifen. Neben allerlei Grünzeug schwört der als besonders ausdauernd und zäh geltende südägyptische Mann seit jeher auf seine morgendliche Portion Sesam-Paste mit einem Löffel Bienenhonig. Daran wird auch die Firma Pfilzer in naher Zukunft wenig ändern. Karim El-Gawhary

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