■ Nebensachen aus Hongkong: Dem Einkaufszentrum kann man nicht entrinnen
In „mein“ Shopping-Center gehe ich jeden Tag mindestens zweimal. Mir bleibt gar nichts anderes übrig. Denn auf dem Weg von und zur U-Bahn muß ich zwangsläufig ins Einkaufszentrum, weil der U-Bahnausgang mitten in den Konsumtempel mündet.
Das ist in Hongkong fast so üblich wie sich in jedem U-Bahnhof eine Filiale der Bank befindet, die dem lokalen Aktienindex ihren Namen gab. Während Bankgeschäfte damit quasi zum öffentlichen Nahverkehr gehören, sind Shopping-Centers ein fester Bestandteil der hiesigen Kultur wie anderswo Straßencafés oder Eckkneipen.
Diese bietet „mein“ Shopping- Center natürlich auch, nur eben vollklimatisiert und im Keller (oder sehr teuer im dreizehnten Stockwerk). In einem französisch aufgemachten Straßencafé kann man dann bei Neonlicht den Leuten auf dem Weg zur U-Bahn oder beim Einkaufen zusehen, nebenan ist ein dänisch-amerikanischer Eisladen, eine chinesische Fast-food-Küche und eine US- amerikanische Burger-Kette. An sieben Tagen in der Woche ist hier von früh bis spät alles auf Konsum eingestellt.
Das Einkaufszentrum hat neun Stockwerke mit Geschäften und vier weitere voller Restaurants. Darüber befinden sich noch einmal über zwanzig Büroetagen. Die KundInnen sind also schon im Haus, und die es noch nicht sind, bringt die U-Bahn.
Nur am Sonntag, da werden die auswärtigen „Chuppies“, wie die chinesischen Yuppies hier heißen, von den Edelboutiquen magisch angezogen. Dann versperren sie mit ihren metallic- glänzenden BMWs und Jaguars die Straßen, und man ist froh, daß im Keller wenigstens die U-Bahn fährt.
Anders als in Einkaufszentren mit Namen wie People's Park (Singapur), Lucky Plaza (Bangkok) oder Golden Shopping Arcade (Hongkong) kommen in das Einkaufszentrum bei mir um die Ecke wohl so viele Neureiche, weil sie sich der Illusion hingeben, sie würden in New Yorks Fifth Avenue einkaufen. Der Konsumtempel aus poliertem Mamor und glitzerndem Glas heißt „Times Square“ und beherbergt fast nur teure Geschäfte, die noble Markenwaren verkaufen.
Nur im Keller auf dem Weg zur U-Bahn befinden sich preiswertere Läden wie ein Supermarkt und zahlreiche Fast-food-Lokale. Der Renner ist eine billige japanische Sushi-Kette. Dort rotieren auf einem hellgrünen Fließband die Fischhappen in kleinen Schälchen um einen riesigen hufeisenförmigen Tresen, von dem sich die drum herum sitzenden Gäste selbst bedienen. Ein an jedem Platz aus dem Tresen ragender Zapfhahn bietet heißes Wasser für Tee. Der Preis der Fischhäppchen richtet sich nach der Farbe der Schälchen auf dem Fließband.
Doch bevor es überhaupt ans Fließband geht, heißt es eine halbe Stunde warten. Vor dem Eingang des Lokals stehen die Gäste Schlange. Um die Ecke gibt ein ähnliche Sushi-Kette sogar Wartemarken aus.
Wer nach dem Essen oder aus der U-Bahn kommend vom Keller ins Erdgeschoß gelangt, den erwarten im offenen Foyer zwei Sonderaktionsflächen. Hier werden Brautkleider oder die neuesten Handymodelle zur Schau gestellt. Kürzlich warb eine Kosmetikfirma mit in weißer Seide gekleideten Frauen für ein Make-up, das die gebräunte Gesichtshaut käseweiß macht und damit dem hiesigen Schönheitsideal entspricht.
Bisher konnte man dem Konsum mit einer Bahn auf den Berg über der Stadt entfliehen, dem sogenannten Peak, der einen phantastischen Blick auf die einzigartige Hochhauskulisse Hongkongs bietet. Auf das geschäftige Treiben ließ sich von oben aus sicherer Distanz herabblicken. Doch seit neuestem gibt es auch auf dem Peak ein Shopping-Center. Sven Hansen
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