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■ Nebensachen aus BangkokBeten zu Rahu, dem Gott der Dunkelheit

Bill hat Hillary. Tony hat Cherie. Helmut hat Hannelore. In Thailand steht Phankrua fest an der Seite ihres Chavalith. Der ist seit neun Monaten Regierungschef, muß aber derzeit stark um seinen Job fürchten, weil man ihn für alle Probleme des Landes verantwortlich macht: Wirtschaftskrise, Korruption, moralischen Verfall, Überschwemmungen, Dummheit der GrundschülerInnen und so weiter. Von Anfang an hat Phankrua keinen Zweifel daran gelassen, daß sie mit allen Mitteln für ihren Mann kämpfen wird, und wenn irdische Kräfte nicht ausreichen, dann eben mit über- oder unterirdischen.

Phankrua geht nicht ohne ihr Maskottchen aus dem Haus, das dem Gatten Schutz bringen soll – ein Plüschelefant mit Kleidchen und Diamantenschmuck. Und die Familie zog vor einigen Monaten in eine andere Villa, um die Geister günstig zu stimmen.

Aber offensichtlich hat das alles bisher nicht ausgereicht. „Wabblig“, „dumm“, „unfähig“ gehört derzeit noch zu den milderen Injurien, die Phankrua in den Zeitungen über ihren Mann lesen muß, und daß er endlich zurücktreten soll, weil er das Land ins Unglück stürze.

Deshalb war Phankrua froh, als der Wahrsager und Polizeioberstleutnant Attaviroj Sritula ihr kürzlich einen Vorschlag machte: In der Nacht der Mondfinsternis möge sie in den Tempel des Rahu gehen, des „Gottes der Dunkelheit“, und für ihren Mann ein Opfer bringen. Sofort stimmte sie zu. Acht schwarze Dinge, darunter einen schwarzen Hahn und schwarze Orakelstäbchen, wollte sie Rahu opfern. Unglücklicherweise bekam die thailändische Presse Wind von der ganzen Sache – und tobte vor boshafter Begeisterung.

Dabei gehören Aberglaube und Hellseherei in Thailand zum Alltag. „Neun von zehn Bangkoker Hochschulabsolventen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren“, fand die Zeitschrift City Life kürzlich heraus, „gehen regelmäßig zum Wahrsager.“ Nun erschienen täglich bissige Kommentare über Phankrua und den Rahu-Tempel. Ein bekannter buddhistischer Mönch erklärte, die Dame solle den Unsinn doch lassen, das sei „total absurd“ und „nur etwas, was dumme Menschen tun“. Er erinnerte an Feldmarschall Thanom, der in den siebziger Jahren auf Studenten schießen ließ, die gegen seine Diktatur demonstrierten. Ein Wahrsager hatte prophezeit, daß „alles gutgehen“ würde.

Schließlich entschloß sich Phankrua schweren Herzens, Rahu nicht zu opfern. Ein Regierungssprecher erklärte, das Kabinett habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Der wohlmeinende wahrsagende Oberstleutnant, der bei der Informationsabteilung der Polizei arbeitet, bekam wegen des Pressewirbels Ärger mit seinem Chef. Und Phrakru Vinai, der Abt des Tempels, in dem die Beschwörung stattfand, ist erbittert.

Zwar kamen am vergangenen Dienstag abend, an dem der hinduistische Gott Rahu den Mond verschluckte und so die Finsternis auslöste, mehr als zehntausend ThailänderInnen zur Zeremonie. Dennoch verbrachten einige prominente Persönlichkeiten den Abend aus Angst vor dem Hohn der Medien lieber woanders. Jutta Lietsch

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