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■ Nebensachen aus AlgierFerienidyll zwischen Panzern und Gewehren

Kaum liegt die ausgefüllte Meldekarte auf dem Tresen der Rezeption, redet der Hotelangestellte auf uns ein. „Die Lage hat sich beruhigt“, versichert er. „Und außerdem hat das Hotel die besten Sicherheitsmaßnahmen weit und breit“, fügt er lächelnd hinzu. Am Eingang bedient ein Angestellter einen Metalldetektor. Wer die Tür passiert, muß sich sein Gepäck durchwühlen lassen. Auf den Dächern der Anlage spazieren Soldaten auf und ab, das Gewehr im Anschlag.

„Alles ruhig“, bestätigt auch der spanische Hotelmanager. Seine Arbeitgeberin, eine Hotelkette in Alicante, stieg Ende der achtziger Jahre in das ehemalige Staatshotel ein. Die Halbinsel Sidi Fredj, 15 Kilometer außerhalb von Algier, versprach gute Geschäfte mit Touristen. Jetzt bleiben wegen des Bürgerkrieges die Gäste aus.

Sidi Fredj ist Hochsicherheitsgebiet. Alles was Rang und Namen hat, verbringt hier zumindest den Sommer. Zwei Straßensperren mit Schützenpanzern und MPi-Nestern sortieren die Besucher. Die Soldaten tragen neue Uniformen. Die alte bot keine Sicherheit mehr, nachdem die Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) als Soldaten verkleidet selbst Straßensperren errichteten.

„Das Geschäft geht nicht gut“, beklagt sich der Manager. Die einzigen Gäste sind hohe Staatsbeamte. Die stehen auf den Todeslisten der Fundamentalisten. Er fühle sich hier sicher, bekräftigt der Spanier. Nur wenn die Regierung einen Kongreß abhält, hat er das Haus voll. Dann werden die Kontrollen verstärkt. Was nicht immer nützt. So hatte Sidi Fredj während einer Konferenz Ende September stundenlang kein Trinkwasser – Verdacht auf Vergiftung des Wassers im Leitungsntz.

Im Hochsicherheitsparadies werden Minuten zu Stunden. Auch in der Hausdiskothek wird nichts dem Zufall überlassen. Als drei Pärchen den Raum betreten, springt der Typ, der eben noch gedankenverloren über seiner Limo saß, auf und bedeutet den Frauen, ihre Handtaschen abzugeben.

„Wir haben alles im Griff“, gibt sich auch unser Tischnachbar als Polizist zu erkennen. Die Situation hat sich beruhigt.“ Und in zwei Jahren sei das alles Geschichte. Wie? Er legt die linke Hand auf den Tisch, Handfläche nach oben. Mit der zur Faust geballte Rechten haut er hinein.

Die Gäste ziehen sich früh zurück. Morgen geht es wieder über die Stadtautobahn zum Arbeitsplatz. Überholt wird, wo Platz ist. Nur nichts riskieren. Und das, obwohl auf fast jeder Brücke ein Soldat steht. Als wir bezahlen, hält uns der Besitzer des Hotelkiosks auf: „Erzählt zu Hause, daß die Touristen wieder kommen können. Die Situation hat sich beruhigt.“ Reiner Wandler

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