: Nebel um PDS-Enteignung
■ Umsetzung der Entscheidung für Regierungskontrolle über Parteivermögen unklar
Berlin (taz) - Einen Tag nachdem die Volkskammer beschlossen hat, das Vermögen der DDR-Parteien und der (Ex -)Massenorganisationen der SED sofort unter Regierungskontrolle zu stellen, waren gestern weder Regierung noch Koalitionsparteien bereit oder willens, das geplante Verfahren zu erläutern. Klar war zunächst nur soviel: Der abwesende Ministerpräsident Lothar de Maiziere wird eine „Unabhängige Regierungskommission“ bilden. Die soll die Einziehung der Gelder vorbereiten.
Diese Kommission, so SPD-Fraktionschef Richard Schröder zur taz, werde „nicht aus Wirtschaftsamateuren, sondern Fachleuten, eventuell auch von außerhalb der DDR“ bestehen. Wer das sein soll? Unbekannt. Wem sie verantwortlich sind? „Na, demjenigen, dem auch der Landwirtschaftsminister verantwortlich ist: dem Ministerpräsidenten.“ Und der werde schließlich in all seinen Regierungsgeschäften vom Parlament kontrolliert. Damit widersprach der SPD-Politiker den Bedenken von Volkskammervizepräsident Ullmann. „Eine Mehrheit im Parlament hat ihre demokratisch legitimierte Macht zu undemokratischen Zwecken mißbraucht“, hatte Ullmann festgestellt.
Ob die Kommission staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Befugnisse haben wird - die PDS rechnet stündlich mit der Polizei in ihren Räumen - ist ebenfalls unklar. SPD -Schröder: „Wenn den Herren Akteneinsicht oder Auskünfte verweigert werden, dann werden sie wohl durchsuchen und beschlagnahmen können.“ Gewiß sei auch, daß „ab sofort jede geschäftliche Transaktion, zum Beispiel der Verkauf einer Druckerei oder eines Grundstückes, von der Kommission zu genehmigen ist“. Der parlamentarischen „Aktion der Schnelle“ gingen in der SPD lange Diskussionen voraus. Laut Schröder hatte die West-SPD gefordert: “'Die PDS muß enteignet werden.‘ Aber wir wollten nicht diese rachsüchtige Form.“ Eine „politische Strategie zur Vernichtung der PDS“ vermutet deren Vorsitzender Gregor Gysi hinter dem Volkskammer -Blitzkrieg. Gysi im taz-Interview: „Man will ein Zeichen setzen für das künftige Großdeutschland. Eine linke sozialistische Partei darf darin keinen Platz haben.“
peb Siehe Seite 2
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