Nazis nahe Berliner Flüchtlingsheim: Hellersdorfer Zustände
30 Nazis demonstrierten in Hellersdorf gegen das Asylbewerberheim – 800 Linke hielten dagegen. Die Politik fordert zur Solidarität auf.
BERLIN taz | Am Ende ist die „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ wieder am besten informiert: Die NPD demonstriert am Dienstagabend nicht wie angekündigt um 18 Uhr direkt vor dem Hellersdorfer Flüchtlingsheim, sondern auf dem nahegelegenen Alice-Salomon-Platz. Die Initiative gegen das Heim hat das auf ihrer Facebookseite gepostet, noch bevor die Polizei davon spricht.
Die Gegendemonstranten machen sich umgehend auf den Weg vom Heim zur Nazi-Kundgebung – dort sind knapp 30 NPD-Anhänger schließlich umzingelt von rund 800 Antifa. 200 Polizisten schirmen die Nazis ab. Die Gegendemonstranten rufen: „Ihr seid so lächerlich.“
Erst um 19.30 Uhr meldet sich Ronny Zasowk als erster NPD-Redner zu Wort. Er spricht von „Asylschmarotzern“ und einer drohenden „Überfremdung", die nach Kreuzberg und Neukölln noch auch die östlichen Bezirke erreiche. Das meiste geht in „Halt die Fresse“-Rufen unter. Die NPDler haben Regenschirme aufgespannt, sie wollen sich vor Eierwürfen schützen. Ein paar Eier fliegen dann auch in Richtung der Nazis.
Zwischendurch kommt es zu Rangeleien, eine Journalistin liegt am Boden, ein Nazi wird abgeführt. Aus den Reihen der Gegendemonstranten werden bis 20 Uhr sieben Personen festgenommen, unter anderem wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs.
Auch Maria Fank vom Bundesvorstand der NPD-Organisation „Ring Nationaler Frauen“ redet am Mikro. Die Lebensgefährtin des NPD-Landesvorsitzenden hat die Kundgebung mit dem Motto „Nein zum Heim“ angemeldet. Mit diesem Slogan macht die Bürgerinitiative, in der auch Nazis mitmischen, seit Wochen Stimmung gegen die Unterkunft. Die ersten 42 Bewohner waren am Montag unter Polizeischutz eingezogen.
Demokraten gegen Demagogen
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte am Dienstag „alle Demokraten“ auf, dagegenzuhalten, wenn „rechte Demagogen“ versuchten, Ängste zu schüren. Innensenator Frank Henkel und Sozialsenator Mario Czaja (beide CDU) appellierten an die Hellersdorfer, sich trotz ihrer Ängste nicht von „rechtsextremen Rattenfängern“ instrumentalisieren zu lassen. Es sei aber unübersehbar, so Henkel, „dass das Flüchtlingsthema derzeit von politischen Parteien missbraucht wird“.
Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf die seiner Ansicht nach „rechtswidrigen Zustände am Oranienplatz“, wo der Bezirk das Flüchtlingscamp duldet. Das wiederum erzürnte Udo Wolf, Fraktionschef der Linkspartei: „Die Gleichsetzung von Unterstützern des Flüchtlingscamps mit der NPD ist eine grobe Entgleisung des Innensenators.“
Und die Flüchtlinge in Hellersdorf? Sie sind eingeschüchtert. „Ich weiß nicht, was alle von mir wollen“, sagt ein 48-jähriger Mazedonier am Dienstag, der mit seiner Frau und seinem Sohn gekommen ist. Jetzt wohnten sie hier – und trauten sich nicht vor die Tür. „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Meine Frau dachte, Leute wollten das Heim anzünden“, sagt er.
Ein anderer sitzt auf der Treppe des Wohnheims. 21 ist er, vor vier Monaten sei er nach Deutschland gekommen. „Ich war in Pakistan politisch aktiv, viele meiner Freunde sind tot“, erzählt er. Bei seiner Ankunft habe er Angst gehabt, es sei laut gewesen, und er habe nicht verstehen können, was die Leute riefen.
Der Security-Mann vor dem Haus schickt den jungen Mann rein. Später sagt der Wachmann: „Es ist nicht zu fassen, wie die Menschen hier die Asylbewerber anglotzen. Auch die Journalisten gehen mit ihnen um, als seien sie Affen in einem Käfig.“
Hellersdorf steht im Blickpunkt, das gefällt nicht allen. „Die da drüben machen viel Lärm“, sagt eine Frau, die ihren Hund Gassi führt. Sie meint die jungen Leute, viele schwarz gekleidet, die an der Ecke einen Pavillon aufgebaut haben. Die Mahnwache, seit Montagabend vor Ort, will Angriffe von Neonazis verhindern.
Auch die rechtspopulistische Splitterpartei „Pro Deutschland“ will in Hellersdorf Stimmung machen. Am heutigen Mittwoch hat sie für 9.30 Uhr eine Kundgebung angemeldet. Die Linkspartei setzt unter dem Motto „Asyl ist ein Menschenrecht“ dagegen. „Pro Deutschland“ will dann weiter durch die Stadt ziehen und gegen Mittag vor der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Turmstraße in Moabit sein. Auch dagegen ist schon Protest angemeldet.
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