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Nazikomödie "Mein bester Feind"Wie lacht man über Judenverfolgung?

Wolfgang Murnbergers "Mein bester Feind" kappt jeden Bezug zur Historie und setzt auf gepflegtes Ambiente und brachiale Schenkelklopfer.

Wer nicht Moritz Bleibtreu-Fan ist, dürfte sich dagegen mit dem speziellen Filmhumor schwer tun. Bild: dpa

Eine österreichisch-luxemburgische Filmproduktion über Judenverfolgung in der Ostmark in Gestalt einer Nazikomödie. Jude Moritz Bleibtreu sitzt zwar fünf Jahre im KZ, kommt aber feist und wohlgenährt wieder raus. Er weiß, wie man Nazis foppt. Ham wir gelacht. Ich spreche jetzt für das Premierenpublikum auf der Berlinale 2011, das sich vor Schenkelklopfen in die Hose gemacht hat.

Wer nicht Moritz Bleibtreu-Fan ist, dürfte sich dagegen mit dem speziellen Filmhumor schwer tun. Wie sind taz-Leser drauf? Um das zu klären, gleich vorweg ein Test. Vorm SS-Schergen stehen zwei Männer. Einer ist, wie nur wir wissen, Jude, der andere nicht. Der SS-Obere befiehlt den Judentest: Hose runter (Haha, erste Lacher). Vorhaut zeigen (zunehmendes Gelächter, Kreischer). Der Arier zeigt vor: keine Vorhaut! (Jubel). Kleinmütig: "Ich hatte Phimose, jetzt ist sie weg". Und ab ins KZ (nicht enden wollendes Gelächter).

Wolfgang Murnbergers Film wird das Publikum in pro und contra Nazihumor teilen. Im austrofaschistischen Wien werden die Straßenfenster der Galerie mit "Jud" beschmiert. Innen wird erörtert, wie man eine echte Michelangelo-Zeichnung vor der Beschlagnahme rettet: Fälschungen in Umlauf bringen.

Gleichzeitig geht's um die Zukunft einer Dreiecksbeziehung. Zwei Männer konkurrieren um die Zuneigung einer Frau. Der eine hat sich soeben angepasst. Er ist jetzt SS-Mann. Der andere, sein Freund, ist Sohn des Galeriebesitzers und Jude (Moritz Bleibtreu). Die beiden werden die Protagonisten des Films sein.

Aufgrund einer schier unendlichen Serie von Zwischenfällen tauschen sie in zunehmenden Tempo ihre Identitäten, bis das Jahr 1945 erreicht wird. Kriegsende und Happy End. Die drei Freunde liegen sich in den Armen, auch ist der echte Michelangelo wieder da, da kommt Freude auf.

Damit wir das genießen können, schaltet der Film von Hektik auf Slow motion um, Dankedankedanke. Der Film hat jeden Bezug zum historischen Hintergrund gekappt und durch ein gepflegtes Ambiente ersetzt. Motive, Möblierung, Setting sind ausstellungsreif. Kostbare Exponate einer Galerie, die für Nostalgieobjekte wirbt. Museumsautos frisch gewaschen, Kostüme aus dem Fundus, raffiniert beleuchtet, gepflegte Dialoge (Romanverfilmung!). Der Zeit- und Ortsbezug wird allenfalls behauptet. Die Beteiligten rauchen. Manche Darsteller sprechen echt weanerisch. Das wars, und der Zuschauer weiß, es wird und kann nichts Schlimmes, Böses, gar Schmutziges passieren. Also sich im Sessel zurücklehnen, schmunzeln und sich amüsieren.

Herr Murnberger!

Was mag Regisseur Murnberger sich bei dieser Inszenierung gedacht haben? In seinen Filmen "Komm süßer Tod" und "Der Knochenmann" waltete ein schräger, gar böser Humor, der einem auf die vertrackte Tour ins Mark ging. Hier, in "Mein bester Feind", wo's gepasst hätte, wird's wohlgefällig. Herr Murnberger! Hatten Sie "Inglourious Basterds" im Kopf?

Dann wär das Ziel weit verfehlt. Soll ich als besondere Regieleistung würdigen, dass die vielen Orts- und Motivwechsel zuverlässig in Vor- resp. Abfahrten der gepflegten Museums- und Naziautos eingebettet sind? Oder dass die längliche Abfolge von Romandialogen durch einen abenteuerlichen Schnitt beschleunigt wird?

Nein, die Krux ist, dass auch Murnberger nicht dem Verhängnis entrinnt, das über deutschsprachige Nazikomödien verhängt ist. Helge Schneider hat in "Mein Führer" das geahnt, was jetzt mit "Mein bester Feind" passiert ist. Er hat sich strikt geweigert, den Nazi, gar den Hitler als Witzfigur anzulegen. Tragisch und sentimental hatte Helge-Hitler Zuwendung im Kuschelbett des Judenpaares gesucht, und das Drüber-lachen gefror.

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11 Kommentare

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  • S
    Sarah

    Wer über derlei Filme als Nicht-Jude lacht versteht den Sinn und den Ernst der hinter solchen Filmen steckt nicht. Lieber mal drüber nachdenken wie heuchlerisch solche Filme sind und wie sie uns Deutsche als Volldeppen portraitieren. Ja ja, jetzt kommt wieder die Humor-Keule... wir haben Humor, aber kein jüdischer Mitbürger hat auch nur ein Billionstel Humor wenn es um das Judentum geht, also steht auch den Deutschen zu, daß sie Angriffe auf sich selbst nicht lustig finden. Viele Menschen auf dieser Welt haben in Kriegen Schlimmes erlebt und jammern nicht den ganzen Tag rum, nur eine Gruppe tuts.

     

    Umgekehrt würden unsere besten Freunde Zeter und Mordio schreien, wenn wir uns über sie lächerlich machen würden. Diese Scheinheiligkeit ist widerlich.

     

    Wenn man selber Täter ist (und damit meine ich keinesfalls unsere Mitbürger), also im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen.

     

    Aber die Gruppe die die Filmindustrie dominiert stellt sich natürlich nicht selbst in schlechtem Licht dar. Das Kaltblütige Abschlachten von Palästinensern wird immer schön unter den Teppich gekehrt. Immer schön das Nazi-Thema am Leben halten, man muß schließlich effizient vom eigenen Fehlverhalten ablenken.

     

    Wer eine solche Hasspropaganda unerstützt, dem ist nicht mehr zu helfen.

     

    Wer Filme wie Inglorious Basterds unterstützt und gut findet der unterstützt seine eigene Abschlachtung. Wie kann man nur so dumm sein.

  • FL
    Fritz Lang

    Was Hitler nicht dämonisiert, ist böse.

  • FF
    Frank Fenster

    An sich ein janz jeil jeschriebener Artikel, der die Lust auf den Film, soweit man denn überhaupt eine verspürt hatte, zerfließen lässt. Jetzt müsste man sich natürlich gerade trotzdem den Film anschauen und darüber labern, aber Leute, wer hat schon Bock - und überhaupt -irgendwie dringt der Mief der Nazizeit in den Mief des deutschen Films - ja, und das soll man gut finden? Und schon bei dem Filmplakat, muss man gar nicht den Taz-artikel zu stehen haben und auch jelesen - ja, schon bei dem dämlichen Plakat - forget it. Und der Titel ist ja wohl von Werner Herzog geklaut: 'Mein liebster Feind' - wo es ja in jenem Fall um den jeilen Werner H. ging und den alten Seelennazi Klaus K. Was ja an und für sich jeil war und jühht, wie die sich da beharkt haben. Womit ich eigentlich sagen will: Nur der Klaus K., ja der hätte das Recht gehabt 'ne jeile Naziklamotte runterzukurbeln, aber der is ja nicht mehr und de mortuis nihil nisi bene.

  • BA
    bitte anonym

    Achso, die Frage war, ... ' Wie ' lacht man ueber Judenverfolgung, nicht ' We're ' lacht ueber Komoedien ueber Judenverfolgung.

     

    Es gibt verschiedene Arten des Lachens die dafuer angebracht sind; zb. Ein hemmisches " he'chum ", lauten lassen und die gebalte Faust der Rechten Hand for den Mund zu fuehren, wobei der gerundete Zeigefinger gegen die Nasenloecher nach oben presst, , man also am besten durch die Nase lacht.und der gerundete Daumen leicht am Kinn lehnt.

     

    Das waere eine Art ' wie ' man darueber lachen koennte.

     

    Eine andere waere sein Lachen verprusten zu muessen, also den Mund geschlossen zu lassen, wobei die Lachtoene im Rachen geschnarcht werden, bis man sich die Hand vor dem Mund haelt, oder besser gesagt, auf den Mund, wobei das Lachen verprusted wird, was man immer als ' Frosch ' im Hals entschuldigen kann, sollte ein daneben sitzender es empoerend finden das man ueber so etwas lacht.

     

    Es gibt das jede menge. Arten des Lachens; Erich Phromm, ' Die Kunst des Lachens ',

     

    Refrain: " all together now, all together now...

    Send in the clowns( don't worry they're already here ; )

  • BA
    bitte anonym

    Sie einzigen die darueber lachen werden sind alt-eingesaessene Juedische die schon seit Jahrhunderten soviel duchgemacht haben, das sie nur noch uber alles lachen koennen, und dieses durchgemacht haben der Grund und das Geheimniss des, Juedischen Humor's ist.

     

    " Wisdom through Suffering"

     

    Charlie Chaplin's, ' Little Dictator' war ein Hit und das zu einer Zeit als ... ?

     

    Mel Brook's, ' Springtime for Hitler', wurde erst kuerzlich ein Riesenerfolg am Broadway, und genauso gepriesen wie der Film.

    Alteingesessene Juedische Menschen waren die ersten die sich ueber 'damals' lustig machten.

    Evt. wuerde Mel Brook's ' Blazing Sattles ' jenen die den Humor hinter all dem nicht nachvollziehen koennen, die richtige ' Perspektive' geben, 'cause... It's all showbizz, honey...

    Bring in the clowns

     

     

    Diejenigen die an, naja... den Graeulichkeiten beteiligt waren, die finden das natuerlich nicht lustig - vor allem weil man sich drueber lustig macht... : (

  • I
    Iris

    Lieber Herr Kuhlbrodt,

     

    welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen? Ich finde sogar, dass sich der Humor natlos an die früheren Film von Murnberger anschließt. Ich kann ihre Meinung darüber überhaupt nicht teilen.

  • W
    Wenstruba

    Nicht die TAZ-LeseRinnen müssen darüber Gericht halten, sondern Betroffene selber. Mehr gibt es über Geschmacklosigkeit nicht zu sagen.

     

    In tiefer Trauer um die Millionen Opfer des Naziregimes.

     

    Was gibt es jetzt zu lachen?

  • T
    Toni

    Mensch Leute, seid doch nicht so humorlos. Sonst seid ihr doch auch um keinen Witz verlegen (Ich erinnere an die Schlampen-Frauen-Fußball-WM).

    Außerdem, so schlecht kann der Film nicht sein, immerhin hat er 6,5 Sterne bei IMDB.

  • GN
    Graf Nitz

    Da ja nun kein Zweifel daran herrscht, das die Nazis die Bösen waren, kann man ja auch mal einen (fiktiven, als Komödie erkennbaren) Film lang davon absehen, sie dem üblichen KLischee entsprechend darzustellen, ohne dass deswegen gleich die Welt untergeht...

  • M
    Marten

    Ihc möchte noch anmerken, dass ich über den Film "Der Untergang" wesentlich besser lachen konnte als über die Ausschnitte von "Mein Führer". Das ist kein Witz, bei einigen cholerischen Anfällen, die Ganz zum Besten gab, konnte mich mir das Lachen nicht verkneifen. Aber ich musste schon früher in der Schule lachen, wenn ich mir Reden von Hitler anhören musste. Noch heute frage ich mich, wie man so einen Spinner ernst nehmen konnte. Maler und Komiker, das hätte er machen sollen, aber keine Politik. Hinterher ist man halt immer schlauer ...

  • M
    Marten

    Wenn ich mich recht erinnere fand Helge Schneider seinen Film "Mein Führer" einfach nur nicht lustig, weil am Ende zu viel geschnitten und der Fokus auf das Jüdische gelegt wurde anstatt auf Hitler. Das ist auch das Problem mit deutschen Komödien über die Zeit 33 - 45. Jeder Regisseur nimmt auf irgendwas Rücksicht und versaut damit jedes Potenzial einer Komödie. Etwas wie "Inglorious Basterds" (ist zwar teils auch deutsche Produktion, aber das Drehbuch ist immer noch von Terentino) oder "Ein Käfig voller Helden" wird Deutschland niemals zustande kriegen. Außer vielleicht ein Bully Herbig würde sich dran setzen,wenn er mal aufhören würde Kinderfilme zu drehen.