: Nazi-Telefon tönt weiter
■ Staatsgewalt gegen „Nationales Infotelefon“ / Demo am Freitag geplant
Schwere Zeiten für das „Nationale Infotelefon Hamburg“, die Bandansage für Hamburgs radikale Rechte. Erstmals gingen Staatsanwaltschaft und Staatsschutz vor wenigen Tagen gegen den braunen Infodienst vor, mit dem die ultrarechte „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) die neofaschistische Szene zu Aufmärschen mobilisiert und auf AntifaschistInnen hetzt.
Ende März durchsuchten Staatsschutz-Beamte die Wohnung des FAP-Mitglieds Jens S. in der Eiffestraße 602c, in dem der rechte Ansagedienst installiert ist. Die Polizisten beschlagnahmten den Anrufbeantworter samt Bändern sowie einen Computer, Disketten und Druckschriften. Neben der rechten „Telefonzentrale“ durchsuchten die Ordnungshüter auch die Wohnung des schleswig-holsteinischen FAP-Landesvorsitzenden Andre G., der den Ansagedienst besprochen haben soll.
Nachdem die Staatschutzabteilung der Hamburger Polizei monatelang erfolglos die etwa zweimal wöchentlich wechselnden Ansagetexte auf straftatrelevante Äußerungen hin durchgehört hatten, wurden sie im März fündig. In einem verbalen Rundumschlag gegen den Spielberg-Film „Schindlers Liste“ war vom „Auschwitz-Mythos“ die Rede, der durch den Streifen am Leben gehalten werde. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wird damit die systematische Judenvernichtung im Nazi-Deutschland geleugnet. Sie ermittelt jetzt wegen übler Nachrede und Volksverhetzung.
Die beiden FAP-Mitglieder haben, nach Aussage von Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger, inzwischen Widerspruch gegen die Beschlagnahme eingelegt und einen neuen Anrufbeantworter installiert, über den sie in gewohnter Weise braune Propaganda verbreiten. In der neuesten Bandansage über „Schindlers Liste“ haben sie allerdings den „Auschwitz-Mythos“ durch den Terminus „erzwungene Geschichtsschreibung“ ersetzt.
Da sich die Staatsanwaltschaft außerstande sieht, die Hetz-Leitung auf Dauer zu kappen, ruft das „Antifaschistische Bündnis“ zu einer Demonstration gegen den rechtsradikalen Informationsdienst auf. Sie führt am Freitag, 15. April, um 15 Uhr vom U-Bahnhof-Burgstraße in die Eiffestraße.
Die Rechten haben bereits eine „Gegenkundgebung“ angekündigt. Das Antifaschistische Bündnis sieht dem „gelassen“ entgegen.
Marco Carini
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