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Nazi-RaubkunstWirbel um Vermeer

Die Erben der Familie Czernin streiten mit dem kunsthistorischen Museum Wien um ein Vermeer-Gemälde. Hitler wollte das Bild 1938 unbedingt haben – fand der Verkauf unter Druck statt?

Das Streitobjekt: "Die Malkunst" von Jan Vermeer van Delft aus dem Jahr 1665/66. Bild: ap

Jan Vermeers "Malkunst", eines der wertvollsten Gemälde des mit alten Meistern reich gesegneten Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien, soll ein Restitutionsfall sein. Letzte Woche richtete der Anwalt Andreas Theiss im Namen der Familie Czernin einen Brief an die Republik Österreich, in dem er die Rückgabe des Prunkstücks der niederländischen Sammlung "anregte".

So wie Theiss die Geschichte des Bildes nachzeichnet, scheint der Verdacht, es handle sich um Nazi-Raubkunst, plausibel. Niemand Geringerer als Adolf Hitler selbst erwarb das Meisterwerk im Jahre 1940 vom böhmischen Grafen Jaromir Czernin.

Das Adelsgeschlecht der Czernin ging zwar der Besitzungen im Sudetenland verlustig, als Hitler das Gebiet annektierte, rassistische Verfolgung musste es jedoch weniger fürchten. Allerdings sei Jaromirs zweite Frau Alix, so Theiss, Halbjüdin gewesen, "Mischling" nach der Rassenklassifizierung der Nazis, und daher gefährdet. Mit dem Verkauf des Bildes weit unter seinem Wert an den Reichskanzler habe Czernin die Sicherheit seiner Familie erkauft.

Dieses Fakten sind nicht unbekannt. Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich die junge Republik mit Restitutionsforderungen der Familie Czernin befassen, gab ihnen aber nicht statt. Denn Jaromir Czernin hätte das Bild ohnehin verkaufen wollen. So hatte er es bereits 1935 dem US-amerikanischen Kunstsammler und ehemaligen Finanzminister Andrew Mellon versprochen. Der starb aber 1937, bevor Österreich eine Ausfuhrgenehmigung erteilte.

Die gab erst Kanzler Kurt Schuschnigg wenige Wochen vor dem Anschluss 1938. Hitler wollte das Bild um jeden Preis haben. Statt der von Czernin geforderten zwei Millionen Reichsmark zahlte er 1,65 Millionen. Laut Anwalt Theiss sei aber nur eine Million tatsächlich überwiesen worden. Czernin quittierte jedenfalls brieflich: "Ich bitte, meinen aufrichtigsten Dank entgegennehmen zu wollen. Mit dem Wunsche, das Bild möge Ihnen, mein Führer, stets Freude bereiten." Gut möglich, dass die untertänige Formulierung Teil des Deals war, wie jetzt Anwalt Andreas Theiss behauptet. Alexander Czernin, der älteste Sohn des Grafen, will sich erinnern, dass sein Vater damals gesagt hätte: "Jetzt sind wir sicher."

Das Gemälde, eines der bedeutendsten der nur 37 Werke, die Jan Vermeer van Delft (1632-1675) hinterlassen hat, sollte das Prunkstück des "Führermuseums" in Linz werden, das allerdings nie eröffnet wurde. Nach dem Krieg fiel das gesamte auf österreichischem Territorium befindliche Vermögen Hitlers per Gerichtsbeschluss an die Republik. Einziger Vermögenswert in Österreich war der Vermeer, der seit 1946 im KHM hängt.

Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, bekennt sich grundsätzlich zur Restitution von Raubkunst, will aber das Gutachten der Provenienzforscher abwarten. Die "Malkunst" zählt, so Haag, "zu den absoluten Zimelien", also den Juwelen der Sammlung. Was das Bild heute wert ist, sei schwierig zu beurteilen, auch ob es damals "weit unter Wert" abgegeben wurde. Unbestritten ist, dass es bei einer Versteigerung ein Vielfaches dessen erzielen würde, was Hitler einst bezahlen ließ. Nach heutiger Kaufkraft wären das 7,67 Millionen Euro.

Die Debatte tobt in den österreichischen Medien

Die Restitutionsdebatte wurde in Österreich im Jahre 1998 jäh wieder belebt, als zwei Frauenporträts des Expressionisten Egon Schiele, Leihgaben der Sammlung Leopold, auf einer Ausstellung in den USA beschlagnahmt wurden. In der Folge mussten fast alle Museen ihre Archive neu öffnen und auf Raubkunst prüfen lassen.

Die prominentesten Fälle sind die "Goldene Adele" und drei weitere Bilder von Gustav Klimt, die die Österreichische Galerie im Belvedere nach langem Prozess an die Erbin von Adele Bloch-Bauer in den USA restituieren musste. Jetzt hängen sie in der Neuen Galerie des Kosmetik-Tycoons Ronald Lauder in New York. Die Debatte um den Vermeer tobt vor allem in den Medien.

Der Germanist und Historiker Gerhard Zeillinger findet in einem Kommentar in der Tageszeitung Standard aus Wien die Argumentation von Andreas Theiss "so kühn und aberwitzig, dass man eigentlich die Familie Czernin vor ihm schützen müsste". Denn "Mischlinge zweiten Grades" wie Jaromir Czernins zweite Ehefrau seinen kaum gefährdet gewesen.

Ganz sicher, wie die Sache nun ausgeht, ist man sich offenbar auch im Hause Czernin nicht, sonst hätte man wohl gleich auf Herausgabe geklagt und nicht wie jetzt die Restitution nur "angeregt".

Ein Kronzeuge kann sich leider nicht mehr zu Wort melden. Der Journalist Hubertus Czernin, der sich vor elf Jahren wie kein anderer in Österreich für die Untersuchung und Rückgabe von Nazi-Raubkunst eingesetzt hatte, ist vor drei Jahren gestorben. Er hatte im Fall des Vermeer keine Ansprüche seiner Familie erkannt.

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1 Kommentar

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  • CK
    Carlos Kleiber

    Zum Zeitpunkt des Verkaufes war es gar nicht so sicher ob Deutschland den Krieg verlieren wuerde, ganz im Gegenteil. Der Preis war nicht allzu weit unter der Forderung, und die ist erfahrungsgemaess immer etwas optimistisch um einen Spielraum beim Handeln zu haben. Die Forderung nach Rueckgabe (auch des Geldes mit Zinseszinsen?) ist also bestenfalls eine opportunistische Spekulation auf die Dummheit der Medien, Gerichte und Politiker