Nazi-Opfer sollen leer ausgehen: Klage in Den Haag
Mit einer Klage vor dem Weltgerichtshof will Deutschland Forderungen von Nazi-Opfern auf Entschädigung stoppen.
DEN HAAG/BERLIN dpa Der Streit zwischen Deutschland und der Justiz in Italien um Entschädigungen für Opfer von Nazi-Verbrechen beschäftigt Anfang 2009 den Weltgerichtshof in Den Haag. Mit einer Völkerrechtsklage gegen Italien, die einen Tag vor Heiligabend eingereicht wurde, will die Bundesregierung eine Welle von Forderungen nach Millionenentschädigungen für Verbrechen Deutscher während des Zweiten Weltkrieges vor ausländischen Zivilgerichten verhindern.
Dafür soll der Internationale Gerichtshof in Den Haag nach dem Willen Berlins die grundsätzliche Immunität des deutschen Staates vor italienischen und anderen ausländischen Justizorganen bekräftigen. Zudem soll der IGH eine Pfändung deutscher Guthaben in Italien für Wiedergutmachungszahlungen für unrechtmäßig erklären. Wann der Gerichtshof entscheidet, ist unklar. Zunächst werde die Zulässigkeit der Klage geprüft, hieß es in Den Haager Juristenkreisen. Erst danach könne das Verfahren festgelegt werden.
Deutschland hatte sich zu der Klage entschlossen, nachdem das Oberste Gericht in Rom im Oktober neun Familien von Opfern eines 1944 verübten Massakers das Recht auf Entschädigungen durch die Bundesrepublik von rund 1 Million Euro zugesprochen hatte. In der Toskana-Ortschaft Civitella waren mehr als 200 Menschen von Wehrmachtssoldaten ermordet worden. Die Bundesrepublik sei "besorgt, dass hunderte zusätzliche Fälle gegen sie vorgebracht werden", heißt es in der Klageschrift. Der Weltgerichtshof möge verbindlich erklären, dass Italien die Immunität Deutschlands missachtet habe, indem es derartige Zivilklagen zugelassen habe.
Bei dem Verfahren gehe es nicht um die moralische Verantwortung, zu der Deutschland sich stets bekannt habe, hieß es im Auswärtigen Amt in Berlin. "Die Klage ist kein Versuch einer Relativierung von Verbrechen", sagte ein Sprecher. Es sei aber nicht hinnehmbar, dass Deutschlands Staatenimmunität von ausländischen Zivilgerichten ignoriert werde. Nach diesem völkerrechtlichen Grundsatz kann kein Staat vor Gerichten anderer Länder verklagt werden.
Die Regierung in Rom unterstützt die Anrufung des Gerichtshofs. Der Klage ist eine deutsch-italienische Erklärung vom 18. November 2008 in Triest beigefügt. Darin hatte Rom die deutsche Entscheidung begrüßt, den Gerichtshof um Klarstellung zu bitten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“