■ Schießen und erschossen werden: Nazi-Kontinuitäten
Traditionen halten sich, militärische allemal. Die Briten haben am Olympiastadion nur den alten Schießplatz der Reichswehr übernommen und fast fünfzig Jahre genutzt. Ein Thema war das nie; im Berlin der vier Mächte entschieden die wirklichen Herren der Stadt solcherlei trommelfellstrapazierende Nutzung ohne störende Bürgerbeteiligung. Dem Vergessen anheimgegeben waren dagegen die Deserteure, die in den letzten Kriegsmonaten in der Murellenschlucht von den Nazis hingerichtet wurden – einen Steinwurf von der Waldbühne entfernt, jener lauschig-unschuldigen architektonischen Hinterlassenschaft des Nazi-Reiches. Mit der Ermordung der zumeist jugendlichen Deserteure vollendete sich auf grausame Weise die ideologische Zielsetzung der olympischen Sportstätte: Vom Nazi-Architekten Werner March wurde die Arena auftragsgemäß als Kultstätte für die ästhetisch-ideologische Kriegsvorbereitung geplant. Da greifen bauliche Details die Metaphern des ägyptischen Totenkults auf, und die Langemarck-Halle wurde ausdrücklich als Kriegerdenkmal und Gruft konzipiert. Die militärisch-geistige Aufrüstung feierte hier ihre Triumphe, zelebriert vom obersten Sportfunktionär der Nazis – jenem Carl Diem, der wenige Monate vor Kriegsende auf dem Maifeld Tausende von Jugendliche zum „Endkampf“ aufrief und damit in den sicheren Tod jagte. Daß nun der Senat – und die Reps – den Schießplatz erhalten wollen, beweist auf unerträgliche Weise historische Kontinuität. Für die ermordeten Deserteure der Murellenschlucht gibt es keinerlei Gedenken – dafür aber wurde kürzlich klammheimlich vom Senat die im vergangenen Jahr von Olympiagegnern gestohlene und eingeschmolzene Gedenktafel für den Nazi Carl Diem wieder am Olympiastadion angebracht. Auch eine Antwort. Gerd Nowakowski
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