Nazi-Aufmarsch: Blockkonfrontation in Dresden
Für tausende Neonazis aus ganz Europa ist der "Trauermarsch" in Dresden ein zentrales Ereignis. Ermittlungen gegen Nazi-Schläger vom letzten Jahr laufen ins Leere.
Europaweit mobilisieren Rechtsextremisten für den 13. Februar in die sächsische Elbmetropole. "Dresden ist wie jedes Jahr Pflicht", heißt es in dem Aufruf auf dem inzwischen meistbesuchten Szeneforum von Neonazis im Internet, Thiazi.net.
Rechtsextremisten versuchen seit Jahren, die Angriffe der Alliierten auf deutsche Städte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in einen deutschen "Bombenholocaust" umzudeuten. Den sogenannten Trauermarsch von Dresden, wo am 13. und 14. Februar 1945 bis zu 25.000 Menschen ums Leben kamen, hat die rechte Szene zum Symbol erkoren. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz rechnet in diesem Jahr mit rund 6.500 Rechten, 500 mehr als 2009.
Organisator ist der Verein Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e. V. (JLO). Der Aufmarsch wird das zentrale Ereignis für Rechtsextremisten jeglichen Spektrums im In- und Ausland. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt hielt im vergangenen Jahr das Führungstransparent. Auf der Abschlusskundgebung sprachen damals zudem der DVU-Bundesvorsitzende Matthias Faust, der sächsische NPD-Fraktionschef Holger Apfel und der ehemalige Wehrmachtsinspekteur Hajo Herrmann. Im Publikum standen gescheitelte Burschenschafter in einer Reihe mit gewaltbereiten "Autonomen Nationalisten". Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel höhnte: Der Marsch sei "ein Schlag ins Gesicht der antideutschen Schuld-und-Sühne-Prediger".
Live-Ticker vom Nazi-Aufmarsch und den Gegen-Aktionen. Unsere Reporter berichten am Samstag live aus Dresden.
Ein Neonazi-Aussteiger begründet den Erfolg der Neonazis mit dem Erlebnischarakter. "Das war schon was, mit so vielen durch die Stadt zu marschieren", sagt er im Gespräch mit der taz. Vor einem Jahr war er noch selbst mit dabei. "Da denkt man, wir sind eine Macht." Er ist sich sicher, dass sich das Ereignis in diesem Jahr noch weiter in der rechten Szene herumgesprochen hat. "Da wollen alle dabei sein", vermutet er. Sämtliche rechtsextremen und neonazistischen Websites mobilisieren.
Der Organisator, die JLO, war einst die Jugendorganisation des Vertriebenenverbands Landsmannschaft Ostpreußen e. V. (LO). Unter Funktionären wie Stefan Rochow, der auch Funktionär der NPD und der Jungen Nationaldemokraten (JN) war, radikalisierte sich die JLO seit 1999. Um nicht ihre staatliche Unterstützung zu gefährden, distanzierte sich die LO von ihrem Jugendverband. Bis 2004 blieb sie als "gemeinnützig" anerkannt.
Längst hat sich der "Trauermarsch" auch im europäischen Ausland herumgesprochen. Bereits im vergangenen Jahr gab es Redner aus Österreich, der Slowakei, Spanien, Schweden und Tschechien - darunter auch viele Anhänger der in Tschechien verbotenen und als besonders gewaltbereit bekannten Neonazi-Organisation Národní Odpor. Auf Thiazi.net wird auch darauf hingewiesen, dass der sogenannte Tag der Ehre der ungarischen Kameraden wegen Dresden verschoben wurde. Man wolle sich schließlich nicht gegenseitig Teilnehmer abspenstig machen.
Im vergangenen Jahr fanden bundesweit 137 rechte Märsche statt. Über 35.600 Rechtsextreme nahmen teil. "Die deutlich gestiegene Mobilisierungsfähigkeit der Nazis ist besorgniserregend. Unser Ziel muss es sein, den Nazis gerade nicht die Straße zu überlassen, sondern hier Gesicht zu zeigen", sagt Ulla Jelpke. Die Bundestagsabgeordnete der Linken hatte eine Anfrage im Bundestag gestellt. Bei der An- und Abreise von den Märschen griffen Rechtsextreme oft Gegendemonstranten an. Auch in Dresden: Am 14. Februar 2009 schlugen Neonazis auf der Rückfahrt von dort bei einem Stopp an der Thüringischer Autobahnraststätte Teufelstal auf Gewerkschaftler ein. Ein hessischer Gewerkschaftler wurde schwer am Kopf verletzt, andere erlitten leichtere Verletzungen. Gegen 37 Rechte ermittelte die Staatsanwaltschaft Gera. Ohne Erfolg: "Mangels Tatverdachts sind die Ermittlungen gegen die aus Deutschland kommenden Personen eingestellt", erklärt Oberstaatsanwalt Rolf Mundt der taz. Ermittlungen gegen vier schwedische Neonazis laufen noch. Amtshilfegesuche würden gestellt. Mundt räumt aber ein: "Ausgang völlig offen."
Aber auch die Gegenseite macht mobil: Ein breites Bürgerbündnis unter Beteiligung der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ruft dazu auf, am Tag des Aufmarschs eine Menschenkette quer durch die Innenstadt zu bilden. Prominente und Theologen aus dem gesamten Bundesgebiet planen ein interreligiöses Friedensgebet. Und ein linkes Bündnis mit dem Namen "Nazifrei! Dresden stellt sich quer", an dem sich neben Antifagruppen auch die Jusos, Gewerkschaften und die Grüne Jugend beteiligen, ruft zu Blockaden auf. Wegen dieses Aufrufs gab es vergangene Woche in Berlin und Dresden Hausdurchsuchungen. Die Oberstaatsanwaltschaft Dresden meint, mit diesem Slogan sei zu einer Straftat aufgerufen worden.
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