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Naturschutz oder WohnungsbauDie Moorlinsen sind in Bedrängnis

In Berlin gibt es noch zwei intakte Moore in Buch. Ein Rahmenplan des Senats sieht vor, direkt daneben 2.700 Wohnungen zu bauen.

Das Feuchtbiotop Moorlinse Foto: Jürgen Ritter/imago

Berlin taz | Die Wiedervernässung von Mooren zählen Naturschützer in Deutschland zu den Eckpfeilern der Klimapolitik. Wiederhergestellte Moore binden Kohlenstoff, sind also CO2-Senken. Erst recht gilt das für intakte Moore.

Berlin hat exakt zwei solcher intakter Moore. Es sind die Große und Kleine Moorlinse in Buch. Wer mit der S-Bahn von Pankow nach Norden fährt, sieht sie aus dem Fenster. Silber schimmert das stehende Wasser auf den Wiesen. Intakte, naturnahe Landschaft, wie sie die Stadt nur noch selten zu bieten hat.

Leider sind unbebaute Flächen wie diese heiß begehrt. Wer in den kommenden Jahren nach Buch mit der S-Bahn fährt, könnte neben den Moorlinsen vor allem eines sehen: Häuser. 2.700 Wohnungen will der Senat dort genehmigen. Das Projekt „Buch – Am Sandhaus“ ist eines von 16 neuen Stadtquartieren, in denen Rot-Schwarz in den kommenden Jahren 200.000 Wohnungen errichten will. Sowohl SPD-Bausenator Christian Gaeb­ler als auch CDU-Umweltsenatorin Manja Schreiner drücken nun aufs Tempo.

Bereits im Juni hat der Senat einen Rahmenplan für das Projekt verabschiedet, in dem einmal bis zu 5.000 Menschen leben sollen. Laut Gaebler könnten die Bauarbeiten Ende 2024 starten und 2026 die ersten Wohnungen fertig sein. Gegen Ende des Jahrzehnts könnte der neue Stadtteil komplett sein.

Protest gegen die Planungen

Doch gegen das Vorhaben regt sich schon lange Protest. Gegen die Verabschiedung des Rahmenplans haben 600 Menschen demonstriert. Seit Montag liegen die Pläne nun in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Fehrbelliner Platz aus. Weil die Pläne nur in den Ferien einsehbar sein sollen, sprechen Gisela Neunhöffer und André Fabian von der „Initiative Buch Am Sandhaus“ von einer „Beteiligungssimulation“. „Die Senatsverwaltung will offenbar ein Häkchen hinter den Punkt Information der Öffentlichkeit machen“, schreiben sie in einer Mitteilung. „An einem echten Austausch mit den Bür­ge­r*in­nen hat sie kein Interesse.“

Seitdem die Berliner SPD mit der CDU koaliert, muss die SPD-geführte Bauverwaltung auch keinen Widerstand aus der Umweltverwaltung mehr fürchten. Noch im Januar hatte Christian Gaebler, da war er noch Staatssekretär eines rot-grün-roten Senats, im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses Verständnis für die Kritik gezeigt. „So richtig finde ich Zehngeschosser um einen Abenteuerspielplatz auch nicht“, wird Gaebler vom nd zitiert. Grüne und Linke hatten da eine Änderung des Flächennutzungsplans von 2019 gefordert, der die Bebauung in Buch möglich machte. Die Bürgerinitiative wiederum fordert seit Langem eine Reduzierung des Bauvolumens auf 1.000 Wohnungen.

Nun schreiten SPD und CDU Seit an Seit. „Die Planungen des ‚Rahmenplans Buch – Am Sandhaus‘ sehen keine Bebauung von Moorflächen oder trockengelegten Moorböden durch das Neue Stadtquartier vor“, heißt es kurz und knapp in der Antwort der Umweltverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des grünen Stadtentwicklungspolitikers Julian Schwarze. Auch seien keine Querungen der Moorlinsen geplant. Der Abstand zur bebauten Fläche soll „mindestens 100 Meter“ betragen.

Was heißt das für das Moor? Was für die 76 Brutvogelarten, die dort nachgewiesen wurden und allesamt besonders geschützt sind? Zum Beispiel Rothalstaucher, Zwergtaucher, Rohrweihe, Große Rohrdommel, Zwergrohrdommel, Löffelente, Knäkente, Tafelente, Kleines Sumpfhuhn, Kuckuck, Braunkelchen, Drosselrohrsänger, Rohr- und Feldschwirl. Was für die Zugvögel, die hier rasten?

Noch die ungestörte Natur Foto: Jürgen Ritter/imago

Auch die Umweltverwaltung weiß um die ökologische Bedeutung der beiden Moore. „Im Verbund mit den Gewässern der nahegelegenen Karower Teiche (…) stellen die Moorlinsen einen überregional bedeutenden Schwerpunkt für Wasservögel und andere Feuchtgebietsarten“, heißt es in der Antwort. „Für Berlin sind sie die wichtigsten Lebensräume für Sumpf- und Wasservögel.“

Nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen

Umso unverständlicher ist es allerdings, dass die Große und die Kleine Moorlinse bislang nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Die Große Moorlinse ist lediglich als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Die Kleine Moorlinse ist nicht einmal das. Sie unterliegt keinem Schutzstatus.

Für Julian Schwarze ist das nicht hinnehmbar. „Der aktuelle Schutzstatus wird der Bedeutung der letzten Berliner Moorflächen nicht gerecht und weist eine große Schutzlücke auf“, sagt Schwarze der taz. „Die Große und Kleine Moorlinse müssen endlich den Schutz­status des Naturschutzgebiets bekommen.“

Im neuen Stadtquartier Am Sandhaus sollen einmal bis zu 5.000 Menschen leben. Investoren sollen die landeseigene Howoge sowie die Deutsche Wohnen sein. Mit den Menschen werden auch Hunde nach Buch ziehen. Was, wenn sie sich den Brutvögeln nähern oder den Zugvögeln? Werden die in den Jahren darauf zurückkommen?

Die Planungen bedrohen Moorflächen, Feuchtgebiete und Tierwelt

Julian Schwarze (Grüne)

Die Antwort von Britta Behrendt, Staatssekretärin von Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU), ist auf Fragen wie diese eher schwammig. „Der Bezirk Pankow als untere Naturschutzbehörde lässt zurzeit in enger Zusammenarbeit mit der obersten Naturschutzbehörde (Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt) und dem Forstamt Pankow den Pflege- und Entwicklungsplan für das LSG Buch erstellen“, heißt es. „In dieser Planung werden auch die Kleine Moorlinse sowie die umgebenden Freiflächen einbezogen.“

„Die Antworten des Senats können die bisherigen Bedenken nicht ausräumen“, ärgert sich Julian Schwarze. „Die bisherigen Planungen bedrohen weiterhin Moorflächen, Feuchtgebiete und die dortige Tierwelt.“

Schwarze fordert nun, dass der Abstand zwischen Moor und Bebauung vergrößert werden soll. Doch darüber, so hat er es aus der Antwort der Umweltverwaltung erfahren, haben der Senat und die Investoren noch gar nicht gesprochen.

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