Naturschutz in Zentralamerika: Drogenkartell bedroht Dschungel
Kokainhändler aus Mexiko machen sich in Naturschutzgebieten breit. Sie sind für den Regenwald gefährlicher als Holzfäller. Menschen vor Ort werden zu Komplizen.
Der Petén, eines der größten Regenwaldgebiete der Erde und zudem Stätte der wichtigsten Ruinenstädte der Maya-Kultur, ist in Gefahr. Bislang schon litt das Naturschutzgebiet unter illegalem Holzeinschlag und Räubern archäologischer Schätze. Jetzt sind neue und deutlich gefährlichere Angreifer da: Die mexikanischen Drogenkartelle machen sich in den Naturschutzgebieten Zentralamerikas breit. Vor allem im Petén in Guatemala, aber auch in der Mosquitia in Honduras und Nicaragua, in El Limón in Costa Rica und im Darién von Panamá.
88 Prozent des Kokains, das aus Südamerika in die USA geschmuggelt wird, nimmt seinen Weg über Zentralamerika, heißt es in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über "Regionale Sicherheit in Lateinamerika und der Karibik". Seit in Mexiko Präsident Felipe Calderón 2006 einen blutigen Krieg gegen die Drogenkartelle begonnen hat, weichen diese verstärkt in die deutlich schwächeren Staaten im Süden aus. "Die Handelsaktivitäten dort wurden genauso verstärkt wie die Produktion von Drogen in Naturschutzgebieten", heißt es in der Studie. Vor allem in den an Mexiko grenzenden Norden von Guatemala sind Ableger des Sinaloa- und des Golf-Kartells eingesickert.
Der Petén, eine Provinz so groß wie Bayern und die größte Regenwaldreserve der Region, ist besonders anfällig. Während des Bürgerkriegs in Guatemala (1960 bis 1996) war er Rückzugsgebiet der Guerilla. Die Armee versuchte immer wieder, sie zu vertreiben, indem sie einfach den Wald in Brand setzte. Auf diesen Freiflächen wurden allein im vergangenen Jahr 20 geheime Landepisten der Drogenkartelle entdeckt. "Das Land dort wird in der Regel von Leuten gekauft, die sich als Viehzüchter ausgeben", sagt Yuri Mellini von der Umweltschutzorganisation Calas. "Tatsächlich aber werden dort dann Drogen verladen."
Der Petén und andere Naturschutzgebiete in Zentralamerika sind bei den Drogenhändlern beliebt, weil es dort kaum Polizei, Militär und staatliche Einrichtungen gibt und die Menschen extrem arm sind. Deshalb würden die Menschen leicht zu Komplizen der Drogenhändler, sagt Staatsanwältin Brenda Dery. "Sie arbeiten auf ihren Fincas und auch ihre Gemeinden profitieren von dem Geld, das dort im Umlauf ist." Nicht der Staat baut Straßen und Schulen. Die Kartelle sind die Auftraggeber. Als im vergangenen Jahr die Polizei in den Petén einrückte, um Drogen zu beschlagnahmen, hagelte es Proteste aus der Bevölkerung.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Drogenkartelle ist für die Naturschutzreserve fatal. Nach Angaben des Umweltministeriums verlor Guatemala 2007 und 2008 jeweils 23.000 Hektar ursprünglichen Regenwald. Vordergründig wird dieses Land nun für Landwirtschaft und Viehzucht verwendet. Tatsächlich aber dient es als Zwischenlager der Kartelle, für den Mohnanbau und für Labore zur Produktion von Kokain und Heroin. Die neuen Herren des Dschungels dringen in die entlegendsten Schutzparks vor. "Das Krebsgeschwür breitet sich rasend schnell aus", sagt Claudia Santizo von der nationalen Behörde für Schutzgebiete. "Vom Biotop Laguna del Tigre zum Beispiel sind nur noch vierzig Prozent übrig."
Doch Innenminister Raúl Velásquez gibt sich optimistisch: "Schritt für Schritt bauen wir immer mehr Militärposten und Polizeistationen in die entlegensten Gegenden des Petén und wir sehen auch schon erste Erfolge." 2009 habe man immerhin sechs Tonnen Kokain beschlagnahmt, im Jahr davor nur zwei. Nach einer Schätzung der US-Botschaft in Guatemala werden jedoch jährlich 250 Tonnen Kokain durch das Land geschleust.
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