piwik no script img

Naturreservat Masai MaraDas beschauliche Leben von Scarface

In Kenias Naturschutzgebiet Masai Mara leben die Löwen ohne natürliche Feinde. Auch die Massai bejagen sie längst nicht mehr.

Friedliches Fotomotive im Naturreservat Masai Mara. Bild: imago/Xinhua

Die mächtigen Büffel stehen im Kreis und scharren aufgeregt mit den Hufen. Sie sind sichtlich unruhig. „Im Gras, nicht weit von hier entfernt, lauern zwei Löwen“, erklärt Wildhüter Dominik Nkaisunkui Morijoi. „Die Büffel bilden einen Kreis, um sich zu verteidigen“.

Normalerweise werden so die Jungtiere verteidigt, doch hier ist weit und breit keines zu sehen. „Es handelt sich um alte Büffel, die aus der Herde verstoßen wurden. Diese Tiere sind alle über 18 Jahre alt. Sie müssen eine Art Ersatzherde bilden, sonst wären sie zum Tode verurteilt“, erklärt Dominik.

Die Regeln der Natur sind hart. Männliche Tiere ohne Revier haben es ganz besonders schwer. Auch hier in der Masai Mara, Kenias bekanntestem Naturreservat und eines der wichtigsten Tierschutzgebiete in ganz Afrika. Im Schutze einer schmalen Böschung liegt der „Hippo-Pool“. „Hier schlagen 40 junge Nilpferdmännchen, die von den dominanten Bullen der Herde verjagt wurden, die Tage tot. Erst wenn sie größer und stärker sind, können sie den Kampf aufnehmen und ihren Platz in der Herde einfordern“.

Safari-Tipps

Anreise: Nairobi und Mombasa werden von Deutschland direkt angeflogen. Mit Inlandsflügen bzw. dem Auto (sechs Stunden) gelangt man nach Masai Mara.

Reisezeit: Von Juli bis Oktober ist die große Wanderung der Gnus aus der Serengeti und zurück zu beobachten. Sehr gut sind auch Januar und Februar. Die Regenzeit von März bis Mai ist ungünstig: Hohes Gras kann die Sicht behindern, dafür ist die Unterkunft deutlich preisgünstiger

Unterkunft: zum Beispiel im luxuriösen Governors Camp www.governorscamp.com

Als habe er den Wildhüter verstanden, schaut plötzlich ein Nilpferd aus dem Wasser und prustet bekräftigend, auf seinem Kopf bleibt eine dicke Schicht Sumpfgras hängen. Ein komischer Anblick.

Nie ohne schützende Jeeps

Die jungen Pflanzenfresser tummeln sich unfreiwilligen im Exil, erst abends und im Schutz der Dunkelheit trauen sie sich an den Fluss Mara zurück. Ihr niedliches Aussehen täuscht, Nilpferde sind die gefährlichsten Tiere Afrikas, Begegnungen mit ihnen enden für Menschen oftmals tödlich.

Dieses Jahr haben die so friedfertig anmutenden Dickhäuter allein in Kenia schon sechs Menschen totgebissen, hauptsächlich Fischer, deren Boote sie attackierten. Dies alles geschah allerdings nicht in Masai Mara, wo die Touristen die Camps nie ohne schützende Jeeps verlassen.

Was es bedeutet, ein betagtes Männchen zu werden, mussten auch die beiden alten Löwen erfahren, die einst den Marsh Pride, eines der wichtigsten Löwenrudel von Masai Mara, anführten. Vor zwei Jahren wurden sie von vier jungen Löwen vertrieben, die in Masai Mara nur die „vier Musketiere“ heißen. Einer der vier, Scarface, hat sich bei den Revierkämpfen eine schwere Wunde über dem Auge zugezogen. Daran ist er gut zu erkennen. Er leckt sie unermüdlich, damit sich die Fliegen nicht an dem Blut laben können. Scarface ist einer der Hauptakteure in der Tiersendung Cat Diary, das die BBC hier regelmäßig dreht. Doch inzwischen ist Scarface so etwas wie ein Star bei den Touristen.

„Wenn ein Junglöwe den alten vertreibt, tötet er in der Regel alle Jungen des Vorgängers, damit die Weibchen wieder schneller paarungsbereit sind“, weiß Dominik.

Entschädigung für Beuteschafe

Der Marsh Pride bestand einst aus 28 Löwen, inzwischen sind es nur noch 18. Die Weibchen übernehmen meistens die Jagd. Scarface liegt den Grossteil des Tages dösend in der Savanne. Soeben hat eine der Löwinnen Scarface eine junge Antilope vors Maul gelegt. Die Weibchen und ihre Jungen fressen erst, wenn die Männchen satt sind, doch heute werden sie wohl leer ausgehen, das Beutetier ist zu klein. Ein richtiger Festschmaus findet nur selten statt, etwa Ende Juni, zur Zeit der großen Tierwanderung.

Dann machen sich Tausende von Zebras und Gnus aus der tansanischen Serengeti nach Masai Mara auf, wo die Weidegründe noch grün und saftig sind. Viele fallen beim Überqueren der Mara den Krokodilen zum Opfer, und an Land droht ihnen Gefahr von den Raubkatzen.

Die Löwen sind die uneingeschränkten Herren hier, andere Raubkatzen wie die Leoparden und die Geparden halten respektvolle Distanz. Auch von den Menschen droht dem Löwen keine Gefahr mehr. Bis vor zwanzig Jahren wurden sie von den Massai gejagt. Dieser Volksstamm lebt innerhalb der Grenzen von Masai Mara, in den meisten anderen Naturparks wie etwa Ambosli dürfen die Massai ihre Tiere nur nachts zum Tränken in die Reservate führen und leben außerhalb der Parkgrenzen.

„Wenn ein Löwe früher ein Tier unserer Herden riss, dann rückten wir ihm zu Leibe und töteten ihn“, sagt Ziegenhirt Alex Kisemoi (23), der in der Massai-Siedlung Sadera lebt. „Jetzt zahlt uns die Regierung eine Entschädigung für jede Ziege, jedes Schaf oder jede Kuh, die wir auf diese Art verloren haben“.

Pilotprojekt im Reservat

Das Zusammenspiel zwischen Weidewirtschaft und Wildtieren ist nicht immer konfliktfrei, aber hier in Masai Mara funktioniert es. „Wir konnten die Massai-Krieger in unsere Naturschutzprojekte mit einbinden“, so Dominic Grammaticus, der mit seinem Bruder das traditionsreiche Governor’s Camp betreibt. Von hier aus können die Safari-Touristen auch die sogenannten Manyattas, die Dörfer der Massai, besuchen.

In Sadera läuft ein Pilotprojekt, das Schule machen könnte. Die Einwohner haben sich eine Biogasanlage gebaut, die mit Kuhdung befeuert wird. Methangasröhren führen in jedes der 44 Häuser der kreisförmigen Manyatta. Jetzt müssen die Frauen kein Feuerholz zum Kochen mehr suchen und tragen so zum Landschaftsschutz bei. Das stets offene Feuer in den Hütten führte auch zu Augenkrankheiten und ständigem Husten der Bewohner.

„Wir sind das einzige Massai-Dorf mit einer Biogasanlage auf der Welt. Unsere neue Aufgabe heißt Umweltschutz“, so Alex stolz. „Dazu gehört auch, dass wir die wilden Tiere respektieren und schützen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • S
    Sikarus

    Die liebe Guete. Was ist das denn fuer eine Heia-Popaia Afrika-Loewen- Geschichte? Und derBericht zur Autostrasse durch die Serengeti ist auch nur wischi waschi. Die taz kann aber besser!