„Natürlich weiblich“

■ Franz Alt über das neue Buch von Christa Mulack / Ein feministischer Weg aus der „Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat“ / Nicht die Gleichheit mit dem Mann, sondern die Unterschiede der Geschlechter begründen die Stärke der Frau

Als ich Christa Mulacks neues Buch Natürlich weiblich zum erstenmal in Händen hielt, befürchtete ich Schlimmes. Wieviel Mißbrauch hat gerade das Patriarchat mit dem Slogan „Natürlich weiblich“ getrieben: Kirchenmänner und Politmänner, Ehemänner und Liebhaber, am meisten aber die NS -Männer, haben mit ihrer Vorstellung von der „natürlichen Bestimmung der Frau“ 5.000 Jahre lang „Weiblichkeit“ bestimmt und damit Frauen unterdrückt, ausgebeutet und vergewaltigt. Ist Christa Mulack jetzt in den Fängen des Patriarchats gelandet? Ich konnte es mir nach ihren früheren Büchern Die Weiblichkeit Gottes und Jesus - der Gesalbte der Frauen kaum vorstellen.

Leider macht erst der Untertitel deutlich, worauf es der Theologin und Psychologin im neuen Buch ankommt: Auf „Die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat“.

Auch von diesem Christa-Mulack-Buch habe ich viel gelernt, gerade an den Stellen, wo ich wütend wurde. Die Neugier überwog, das Durchhalten bis Seite 253 lohnt - für Frauen wie für Männer.

Die Frau als Komplizin

Die Autorin befreit von einem einseitigen, extremen, sich selbst als links verstehenden Feminismus, der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit mit Männer anstrebt, wo sie mit Vehemenz auf Geschlechterdifferenz und Anderswertigkeit pocht und vertraut. Den Gleichberechtigungsfeministinnen sagt Christa Mulack: „Als Enteignete leben sie (die Frauen) in geborgten Räumen, eignen sich männliches Wissen an, lernen, an männliche Projektionen zu glauben, auf männliche Produkte zu vertrauen und ihre Gefühlsantennen auf männliche Bedürfnisse auszurichten. Sie nehmen sich als jene wahr, die er will.“ Maggi Thatcher läßt grüßen!

Daß in den letzten Jahrzehnten viele Frauen so sein wollten wie Männer anstatt „natürlich weiblich“, war wohl unvermeidlich, brachte aber noch keine Frauenbefreiung. Die Mannzentriertheit vieler Frauen ist für Christa Mulack der größte Sieg des Patriarchats. Sie will nicht die „patriarchalisierte“, sondern die wirkliche emanzipierte Frau.

Keine gelegentliche Revolte also, sondern wirklich Revolution! Und diese steht noch aus. Das Zufriedensein mit der Teilhabe an männlicher Wertigkeit führt nicht zur Selbstfindung, sondern zur Selbstentfremdung, nicht zu weiblicher Solidarität, sondern zu „weiblicher Rivalität und Heimatlosigkeit“. Was aber kommt jetzt? Was ist „natürlich weiblich“ wirklich?

„Die Wahrnehmung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Denken und Sprechen, im Fordern und Kooperieren, im Werten und Handeln, um nur einige zu nennen, führt ganz zwangsläufig zu einer Neubewertung von Weiblichkeit überhaupt.“

Damit werden nicht nur die heiligen Kühe des Feminismus wie Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit geschlachtet, sondern es wird auch eine Diskussion über „neue Männlichkeit“ inspiriert. Die Unfähigkeit zu lernen ist das Problem beider Geschlechter.

Ein typisches Ergebnis des Patriarchats, das zum Beispiel Abrüstung sagt, aber allenfalls Umrüstung und „Modernisierung“ betreibt. Siehe die Diskussion um den Jäger 90! Und bei diesem Schwindel sind Männer und Frauen als Wählerinnen und Wähler beteiligt - als Täter und Opfer, als Betrüger und Betrogene.

Wenn Frauen über Jahrtausende weit weniger Rechte haben als Männer, dann muß ein Feminismus, der auch Erfolg haben will, zuerst einmal Gleichberechtigung fordern und erstreiten. Da aber Frau-Sein und Mann-Sein zwei verschiedene Arten des Mensch-Seins sind, kann es letztlich keine Gleichberechtigung geben. Solange die Verschiedenheit der Geschlechter geleugnet wird, kann der Feminismus allenfalls taktische Siege gegen das Patriarchat erringen, denn dieses ist gekennzeichnet durch die Herrschaft von Geld und Macht. Eine als Gleichberechtigung verbrämte Angleichung ist das Gegenteil vom Emanzipation. Der Feministin Christa Mulack geht es mit dem Postulat „Natürlich weiblich“ natürlich nicht um die alte Ungleichheit, sondern um ein neues Nachdenken und Empfinden der relativen Geschlechterdifferenz. „Solange es zwei Geschlechter gibt, sollten diese das Recht haben, sich gleich und unterschiedlich zu verhalten und dementsprechend wahrgenommen werden.“

An die Stelle des alten Entweder-Oder-Denkens tritt die neue Sowohl-Als-Auch-Orientierung. Das Unterscheidende zwischen Mann und Frau wird nicht dadurch beseitigt, daß wir es leugnen und verdrängen oder es wie Alice Schwarzer als „klein“ ideologisieren. Der Unterschied kann fundamental sein, wie jeder lernbereite Mann von einer selbstbewußten Partnerin erfahren kann. Gleicheit macht beide arm, Verschiedenheit bereichert beide. Im Patriarchat haben Männer bestimmt, was männlich und was weiblich ist. Jetzt ist es „unerläßlich, daß wir die Frage nach der Geschlechtergleichheit noch einmal neu stellen, und zwar ohne die Vorzeichen aufgezwungener Strategien, die wohl geeignet waren, Ungerechtigkeiten bewußtzumachen, die aber nicht ausreichen, unsere eigene Wirklichkeit zu beschreiben“.

Es ist ein Unterschied, ob eine Feministin wie die Münchner Therapeutin Thea Bauriedel sich für die schwachen Ungeborenen einsetzt und auch von Feministinnen eine ehrliche Diskussion über Abtreibung fordert, oder ob dies Kirchenmänner tun, die niemals über die Gewalt gegen die Geborenen ein eindeutiges Wort gesagt haben. Bei der ersten Position geht es tatsächlich um mehr Ehrfurcht gegenüber dem Leben, um eine „natürliche weibliche“ Haltung, bei der zweiten Position häufig um männliche Ideologie. „Wenn zwei dasselbe sagen, ist es eben noch lange nicht dasselbe“, definiert Christa Mulack ihre Position der Geschlechterdifferenz.

Wer der Autorin bis hierher folgte und vielleicht aus bequemer Patriarchatsposition zustimmte, weil er Argumente gegen den „Emma„-Feminismus suchte, wird spätestens beim nächsten Schritt in „Natürlich weiblich“ bleich vor Entsetzen werden. Es geht nämlich deshalb nicht um Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann, weil die Frau schon von Natur aus lebenstüchtiger ist als der Mann. Sie ist biologisch bevorzugt, weil sie Kinder gebären und selbst nähren kann. Sie lebt länger, ist gesünder an Leib und Seele und begeht weit weniger Verbrechen als der Mann. Sie lebt lebensnäher, mehr sozialorientiert und weniger egozentrisch als Männer. Bislang waren Weiblichkeit und ihre biologische Basis Elemente der Frauendiskriminierung. Jetzt aber bestätigen sowohl die moderne Biologie und auch die Psychologie, am meisten aber der Lebensalltag selbst die These von der Priorität des Weiblichen.

Vor der Gleichberechtigung der Frau hatte schon vor über 2.000 Jahren der alte Cato die erschrockenen Männer des römischen Senats gewarnt: “... sobald sie uns gleichgestellt sind, sind sie uns überlegen.“ Der Mann wußte viel. Wenn sich Feministinnen schwer tun, ihrer Schwester Mulack zu folgen, vielleicht glauben sie dem alten Cato, den Mulack listigerweise zitiert.

Simone de Beauvoir, Vertreterin des „alten“ Feminismus, hat in ihren Schriften weibliche Qualitäten, weibliche Werte, eine weibliche Natur geleugnet. Im Leben mit Sartre mußte sie allerdings schmerzhaft erfahren, was die Anpassung an die Welt des Mannes bedeutet.

Den Körper benutzt,

um den Geist zu leugnen

Christa Mulack wirft dem „alten“ Feminismus Undifferenziertheit vor, schreibt aber selbst recht undifferenziert: „Assimilation, Anpassung an die Welt des Mannes bis hin zur Nachahmung seiner Gebärunfähigkeit durch die Abschaffung des Gebäraktes mit Hilfe männlicher Technologie - so sieht die feministische Variante einer klassen- und geschlechtslosen Gesellschaft aus, auf die frau zusteuern möchte. Zur Erlangung dieses Zieles wird Geschlechtsblindheit verordnet. Die Undifferenziertheit feiert Triumphe.“

Heftige Kritik an der einseitig männlich konzipierten Gentechnologie habe ich allerdings auch von der „alten“ Feministin Alice Schwarzer ähnlich gehört. Nicht alle Feministinnen, bei denen es Christa Mulack vermutet, verleugnen ihren Körper.

Richtig ist, daß sich das Patriarchat des weiblichen Körpers bediente, um den Geist der Frau zu leugnen.

Richtig ist, daß die meisten Männer bis heute nicht an die Folgen ihres Tuns denken wollen - im Bett nicht, in der Familie nicht, in der Wissenschaft nicht und in der Politik schon gar nicht -, weil sie sich außerhalb der Natur stellen. Es ist die Abgespaltenheit des Mannes von der Natur, die uns an den atomaren und ökologischen Abgrund gebracht hat. Wenn nun in der Schule des Patriarchats auch noch die Frauen ihre biologischen Vorgaben und die Potenz ihrer Mütterlichkeit leugnen, kann das niemals zur Frauenbefreiung führen.

Statt dessen könnten wir Männer in der Schule von Frauen eine neue Nähe zum Leben und zur Natur lernen. Biologie und Gesellschaft, Natur und Kultur sind keine Gegensätze, sie ergänzen sich. Der berühmte Buchtitel von Ursula Scheu: Wir werden nicht als Mädchen geboren - wir werden dazu gemacht ist absurd. Wenn biologische Fakten geleugnet werden, können Frauenbefreiung und weibliche Identität niemals gelingen. Jene westdeutschen Unternehmer in der DDR, die in diesen Monaten schwangeren Frauen, die sich auf ihre Kind freuen, mit Kündigung drohen und zur Abtreibung drängen, holen aus dieser Gleichberechtigungsideologie ihre Argumente. Und „Feministinnen“, die mit biologischen Argumenten die biologische Differenzierung zwischen Frau und Mann verdrängen wollen, ahnen nicht, was sie sich und anderen antun! Feministisch verbrämter Patriarchalismus!

Es ist das große Verdienst von Christa Mulack, Frauen mit ihrer Natur versöhnen zu wollen, ja aufzeigen zu können, daß Frauen von der Natur bevorzugt werden. Dieser Lobpreis des Weiblichen ist in dem Augenblick nicht mehr peinlich, wo er mit Fakten sachlich begründet wird: In den USA zum Beispiel leben Frauen im Durchschnitt acht Jahre länger als Männer, Frauen sind nur zu einem Viertel an der Selbstmordquote beteiligt und nur zu vier Prozent im Strafvollzug, Schulprobleme betreffen weit eher Jungen als Mädchen. Das „schwache“ Geschlecht ist stärker als das „starke“.

Weil schon diese vordergründigen Fakten Jahrtausende geleugnet und verdrängt wurden, tun wir uns bis heute so schwer mit weiblicher und männlicher Identitätsfindung. Erich Fromm hat überzeugend dargelegt, daß Männer, die mehr scheinen wollen als sie wirklich sind, sinnlose und gefährliche Produkte schaffen: eine Kompensation des Gebären -Könnens der Frau. Der Produzier-Wahn der Männer findet heute seinen Höhepunkt in der Gentechnologie. Damit könnte eines Tages die von Natur aus gebärfähige Frau endgültig überflüssig gemacht werden. Dann hätten wir jene „Gleichberechtigung“ und „Gleichwertigkeit“, welche die Patriarchen und die extremen Feministinnen meinen. Demgegenüber ist die natürliche biologische Differenzierung im Alten Testament unübertroffen einfach und wahr zugleich beschrieben: „Gott schuf den Menschen als Mann und Frau.“ Zu unserem Glück sind wir nicht gleich, sondern relativ unterschiedlich. Daran anknüpfend heißt Christa Mulacks Botschaft: Wer seinen Geist benutzt, muß seinen Körper nicht leugnen. Nicht das Patriarchat, die Natur hat uns als Frauen und Männer mit je auch gegengeschlechtlichen körperlichen und seelichen Anteilen geschaffen.

„Trümmerfrauen

des Patriarchats“

Wenn wir anfangen, uns Gott als die Urkraft allen Lebens auch weiblich vorzustellen, beginnen die patriarchalischen Vorurteile ebenso zu verschwinden, wie feministische Ideologien ins Wanken geraten. Der Kampf um Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit wird dann eine taktisch notwendige Zwischenstufe gewesen sein. Es geht aber um wesentlich mehr. Die Vorherrschaft des Männlichen (manchmal auch bei Frauen) ist das Krebsgeschwür unserer Zeit. Frauen, die lediglich sein wollen wie Männer, werden immer die „Trümmerfrauen des Patriarchats“ (Christina Thürmer-Rohr) bleiben.

In Anlehnung an Christina Thürmer-Rohr verlangt Christa Mulack von Frauen die Selbsterkenntnis ihrer Mittäterschaft, dann die Verweigerung gegenüber dem Patriarchat, das Ende des Mitgefühls, der Zuwendung und Geduld gegenüber den Patriarchen, das Ende ihrer Männerfixiertheit.

Die Revolutionen in Osteuropa haben bewiesen: Wir lernen die Kraft unserer scheinbaren Ohnmacht kennen, wenn wir uns öffnen für die Solidarität, aber auch für die Verweigerung gegenüber dem Unrecht. Ich stelle mir einen Augenblick vor, deutsche „Politiker-Gattinnen“ würden jetzt anfangen, dies zu begreifen und sich ihrer Macht, ihrer Würde und ihrer Werte bewußt werden: Das Vaterland würde endlich auch ein Mutterland, das heißt; Kindergärten in der DDR würden nicht geschlossen, sondern viele in der Bundesrepublik gebaut; das Mutterland würde endlich auch ein Kinderland, das heißt: Die Umweltbelastung würde endlich nicht mehr in Durchschnittswerten und Höchstgrenzen bewertet, sondern daran, was wir kleinen Kindern damit antun. Eine gesamtdeutsche Regierung würde endlich das wichtigste Ministerium schaffen und mit einer starken, emanzipierten Persönlichkeit besetzen: ein Kinderministerium! Und: In der deutschen Politik würde nicht nur von Abrüstung geredet, es würde wirklich und endlich abgerüstet. Doch dafür stimmen die Strukturen und die Bedingungen noch nicht.

Das Patriarchat wird weiter beherrschen, solange Frauen in den heutigen Rahmen lediglich etwas zugestanden wird - und sei es die Quote.

„Im patriarchalischen Weiblichkeitsmodell sind weibliche Werte wie Unabhängigkeit, Mut, Stärke und Stolz nicht vorgesehen“, kritisiert Christa Mulack. Und Lust schon gar nicht. Deshalb wird die Liebe mit Liebedienerei, der Kompromiß mit Nachgiebigkeit und der Frieden in der Partnerschaft mit Abhängigkeit verwechselt. Die männliche Idealisierung der Liebe hat negative Gefühlswerte wie Zorn und Haß tabuisiert.

Das Nein in der Liebe gilt im Patriarchat als unfraulich. Dabei kann es das wichtigste Wort in einer Liebesbeziehung überhaupt sein. Die Autorin fordert den „richtigen Kontext“ von „lieben und hassen, schweigen und reden, Streit und Frieden“, keine „Werte an sich“, sondern eine Situationsethik. Wo aus „lauter Liebe“ der Haß verdrängt wird, richtet er sich letztlich gegen uns selbst. Das Problem von Millionen Frauen! Sie würden verstehen, daß die Fähigkeit zu hassen nicht identisch ist mit Gewalt. Selbst eine kräftige Ohrfeige im richtigen Augenblick hat schon viele Männer „zur Vernunft“ gebracht - mehr als die Angst vor dem Gewalttäter. Also: Schluß mit dem Erlernen der Spielregeln des Patriarchats! Reifere Frauen und Männer müssen vielmehr lernen, den Patriarchen ihre Spiele zu verderben. Und das mit Lust und Liebe!

Offen für neue Erkenntnisse

Mulacks feministischer Traum von der Liebe ist erotisch, nicht sexistisch; ihre Vorstellung von Politik ist sozial, nicht sozialistisch; ihre Einstellung zum Leben beruht auf biologischen Fakten, nicht auf biologischen Dogmen. Ihr wissenschaftlicher Ansatz ist grundsätzlich offen für neue Erkenntnisse. Ihre Sprache ist differenziert und eindeutig zugleich: „Natürlich gilt es, die frauenunterdrückerischen Biologismen zu entlarven, die immer wieder herhalten mußten und müssen, um Frauen auf ganz bestimmte Verhaltensweisen und Tätigkeitsbereiche festzuschreiben. Doch deswegen die biologische Dimension des Menschen zu leugnen, wäre dasselbe wie Köpfen als Heilmittel gegen Kopfschmerzen.“

Demnach ist Mütterfeindlichkeit ein feministisches „Eigentor“ und eine „Trotzreaktion auf patriarchale Vereinnahmungen“. Hier ist Weiblichkeit nicht mehr fixiert auf Männlichkeit - Weiblichkeit nicht mehr eine andere Männlichkeit, sondern ein Mehr, eine Chance, das Andere. Und dieses Anders-Sein ist keine Diffamierung, sondern ein Kompliment. Die biologischen und psychologischen Forschungsergebnisse, auf die sich Mulack stützt, begründen einen „neuen“ Feminismus.

Auch wenn mir Mulacks neues zweigeschlechtliches Konzept lebensnäher scheint als das alte geschlechtsneutrale: An einigen Stellen ist ihr Abgrenzungsbemühen von den „alten“ Feministinnen überzogen und unnötig. Auch der „alte“ Feminismus mit seiner Gleichberechtigungsphilosophie ist mehr als nur eine „Farce“ (Mulack) und mehr als der „feministische Abklatsch einer klassenlosen Gesellschaft“.

Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, die Autorin argumentiert - entgegen ihrer eigenen Intention unhistorisch. Eher feministisch verbissen als feminin flexibel. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn sie den Mut gehabt hätte, in ihrem Buch mehr über sich selbst und ihre eigenen Lernprozesse zu verraten, mehr in Verben als in übermäßig vielen Wörtern zu schreiben, die mit der Silbe -ung enden (bis zu 15 auf einer Seite!), und auf leicht übersetzbbare Fremdwöter zu verzichten. Verkopf-ung ist gerade kein Ausdruck eines lebendigen, erotischen Feminismus!

Vielen, für die das Buch eine Lebenshilfe sein könnte, wird so unnötigerweise der Zugang erschwert. Weniger Buchwissen, mehr persönliche Lebenserfahrung in diesem Buch wäre hilfreich.

Wer zu Ende liest, wird dennoch belohnt. Die Autorin deutet zumindest an, wie revolutionär „frauenbezogenes Handeln“ (auch für Männer) sein kann: Die Treue zu sich selbst muß für Frauen wichtiger werden als die Treue zum Ehemann. Das heißt, Partnerschaft zwischen Mann und Frau wird wachsen können, wenn beide Geschlechter mehr als bisher wissen, was sie sind, was sie wollen, was sie sollen und was sie werden können.

Am Schluß begründet Christa Mulack noch einmal ihr Schlüsselwort „Erotik“: „Frauen erleben Erotik als Wachsamkeit des Gefühls, als Konzentriertheit im Umgang mit anderen Menschen (aber auch mit Dingen), die ihre Beziehungen intensiviert; aber auch als Fähigkeit, sich an anderen zu freuen und diese Freude mitzuteilen. Erotik als ein Zentrum ihres Wesens, das es zu befreien gilt.“ Natürlich weiblich - natürlich männlich - natürlich menschlich! Kritischer Beifall für die Mulack!

Franz Alt

Christa Mulack: Natürlich weiblich - Die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat. Kreuz-Verlag, Stuttgart, 1990, 272 S., DM 29,80