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Nato-Angriff auf TripolisGaddafis jüngster Sohn getötet

Drei Enkelkinder und Saif al Arab Gaddafi sollen getötet worden sein, sagt ein Sprecher des libyschen Staatschefs. Die Nato bestätigt lediglich einen Luftangriff auf Tripolis.

Was Fotojournalisten vom Regime in Libyen gezeigt bekommen: Zerstörung in Tripolis. Bild: dpa

TRIPOLIS dapd | Der jüngste Sohn sowie drei Enkelkinder von Machthaber Muammar al Gaddafi sind laut dessen Sprecher bei einem Raketenangriff der Nato am Samstag getötet worden. Staatschef Gaddafi selbst sei nicht verletzt worden, sagte Regierungssprecher Mussa Ibrahim: "Der Führer selbst ist bei guter Gesundheit."

Die Nato bestätigte am Sonntag zwar einen Angriff auf ein libysches Regierungsgebäude in Tripolis, nicht aber den Tod von Saif al Arab Gaddafi. Ziel sei ein Befehlszentrum im Bereich des Bab-Al-Asisija-Viertels gewesen, teilte die Allianz mit. Alle Ziele seien dabei militärischer Art und hingen mit den systematischen Angriffen Gaddafis auf die Bevölkerung zusammen, teilte das Bündnis weiter mit.

Über unbestätigte Berichte vom Tod einiger Familienmitglieder Gaddafis sei er unterrichtet, sagte Generalleutnant Charles Bouchard, der den Libyen-Einsatz führt. Er bedauere jeden Verlust von Menschenleben, besonders wenn unschuldige Zivilisten in dem anhaltenden Konflikt zu Schaden kämen, sagte Bouchard.

Muammar al Gaddafi und seine Frau hätten sich in Tripolis im Haus des 29-jährigen Saif al Arab Gaddafi aufgehalten, als dieses von mindestens einer Rakete, abgefeuert von einem Nato-Flugzeug, getroffen worden sei, sagte Mussa Ibrahim. Auch die Frau des Machthabers sei bei guter Gesundheit, sagte der Sprecher. Mehrere Journalisten wurden zu einem ummauerten Komplex einstöckiger Gebäude in einem Wohngebiet in Tripolis gebracht, wo sie schwere Bombenschäden vorfanden. Nach dem Angriff war schweres Geschützfeuer in der Stadt zu hören.

Stunden zuvor hatte Gaddafi erneut eine Waffenruhe gefordert

"Der Angriff hat zum Märtyrertod von Bruder Saif al Arab Gaddafi, 29 Jahre alt, geführt", sagte Ibrahim. Saif al Arab habe mit seinem Vater und seiner Mutter, sowie seinen Nichten, Neffen und anderen Besuchern gespielt und sich unterhalten, als er - der keine Verbrechen begangen habe - angegriffen wurde, sagte der Sprecher. Die Namen der drei getöteten Kinder wollte Ibrahim nicht nennen. Diese würden nicht veröffentlicht, um die Privatsphäre der Familie zu schützen. Ibrahim sagte lediglich, dass es sich um Nichten und Neffen von Saif al Arab gehandelt habe und alle jünger als zwölf Jahre gewesen seien.

Der Angriff sei ein Versuch gewesen, "den Führer dieses Landes zu ermorden" und habe gegen internationales Recht verstoßen, sagte Ibrahim. Insgesamt hatte Gaddafi sieben Söhne und eine Tochter. Saifs Mutter ist die zweite Ehefrau des Staatschefs und frühere Krankenschwester, Safia Farkasch. Saif al Arab Gaddafi war der Bruder des wesentlich bekannteren Saif al Islam Gaddafi. Außerhalb Libyens war Saif al Arab Gaddafi nicht zuletzt aufgrund seiner Vorliebe für schnelle Autos und Partys bekannt.

Eine Adoptivtochter Muammar al Gaddafis kam 1986 bei einem US-Luftangriff ums Leben. Diesen hatte der damalige US-Präsident Ronald Reagan als Vergeltung für einen Terroranschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" angeordnet, bei dem zwei US-Soldaten getötet wurden. Die USA machten Libyen für den Anschlag verantwortlich.

Rebellen reagieren mit Jubel auf die Todesnachricht

Der Angriff vom Samstag ereignete sich nur Stunden, nachdem sich Staatschef Gaddafi erneut für eine Waffenruhe und Gespräche mit Nato-Mächten ausgesprochen hatte. Diese hatten die Forderungen abgelehnt und stattdessen gesagt, sie wollten Taten des Regimes sehen. Erst am Dienstag hatten US-Verteidigungsminister Robert Gates und der britische Verteidigungsminister Liam Fox im Pentagon gesagt, dass Nato-Flugzeuge nicht Gaddafi im speziellen ins Visier nähmen. Sie würden aber weiter fortfahren, seine Kommandozentralen anzugreifen.

In der seit Wochen von Gaddafis Soldaten belagerten Stadt Misrata reagierten die Rebellen mit Hupkonzerten und "Gott ist groß"-Rufen auf die Nachricht vom Tod des jüngsten Sohnes von Machthaber Muammar al Gaddafi. Die Stadt wird seit zwei Monaten von den Truppen Gaddafis beschossen, hunderte Menschen sind bereits getötet worden. Vor dem zentralen Hikma-Krankenhaus wurde Feuerwerk angezündet, was kurzzeitig zu einer Panik führte, da einige an einen feindlichen Beschuss glaubten.

In Deutschland waren mehrere Verfahren gegen den Sohn anhängig

Saif al Arab Gaddafi hatte bis vor einiger Zeit in München studiert. Das Studium habe er aber nicht abgeschlossen, sagte Mussa Ibrahim. In München waren zwischen November 2006 und Juli 2010 zehn Verfahren und ein Vorermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft gegen ihn anhängig, wie das bayerische Justizministerium kürzlich bestätigte.

Unter anderem bestand der Verdacht des Verstoßes gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz sowie auf Körperverletzung, hatten die bayerischen Grünen jüngst mitgeteilt. Die Partei hatte der Justiz in Bayern einen zu nachsichtigen Umgang mit dem Sohn des libyschen Machthabers vorgeworfen. So seien mehrere Verfahren, unter anderem wegen des Verdachts auf Körperverletzung, zugunsten des Gaddafi-Sohnes eingestellt worden.

Anfang des Jahres war Saif al Arab Gaddafi in Deutschland zur unerwünschten Person erklärt worden, wie das bayerische Innenministerium damals bestätigte. Demnach durfte er nicht mehr in die Bundesrepublik einreisen.

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14 Kommentare

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  • B
    BG-Fan

    Hätte die Welt doch nur auf Bernd Goldammer gehört! Aber nein, sie hört nicht auf ihn.

  • RK
    Raimund Kottwitz

    Ein privates Wohnhaus ist keine Kommandozentrale.

    Selbst Kommandozentralen sind kein legitimes Ziel gemäß UNO Resolution 1973.

    Lesenswert der Artikel von Kamil Majchrzak, Völkerrechtler und Redakteur der polnischen Edition von Le Monde Diplomatique:

     

    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Libyen/kamil.html

     

    Egal wer durch diese Bomben ums Leben kam,

    es handelt sich um gemeinschtlich geplanten, vorsätzlichen, mehrfachen Mord,

    durchgeführt von einer kriminellen Vereinigung namens NATO an Kindern und jungen Menschen.

     

    Afrika wird wie ein weidwundes Tier umlagert von Hyänen und Schakalen, die mit ihren Zähnen dem noch lebenden Organismus die besten Stücke entreißen wollen.

     

    Wenn die Opposition in Bengasi und Misrata Freudenfeste feiert wenn Kinder und junge Menschen getötet werden, dann habe Angst vor diesem Mob.

     

    Wer erhebt Anklage in Den Haag?

     

    Oder ist dieses Gericht selbst ein Teil dieser kriminellen Strukturen?

  • V
    vic

    Und weil`s so schön war, wurde Bin Laden auch gleich hingerichtet.

    Ein guter Tag für Obama, Amerika feiert.

  • E
    EuroTanic

    Die NATO macht wieder was sie am Besten kann: Lügen und Morden.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Für diesen Angriff gab es keine militärische Notwendigkeit. Vom Völkerrecht ist er ebensowenig gedeckt wie vom zusammengekauften UN Mandat. Wie sollen wir unseren Kindern erklären, dass die Täter Militärangehörige von Rechtsstaaten sein sollen. Verbotene Ziele wurden angegriffen. Befehlsgeber machten Soldaten zu Kindermördern. Angloamerikanische Logik schimmert durch jede Phase dieses Verbrecherkrieges:"Recht ist, was wir tun". Die Freudentänze der US- NATO- Versallen am Boden decken deren grusliges Niveau auf. Sind das El Kaida Leute? Das einige von ihnen aus Afghanistan kommen, war schon in den Zeitungen zu lesen. Woher kommen diese Leute? Wer hat sie gemietet? Alle Tatbeteiligten haben sich nun ins Unrecht gesetzt. Das wird nicht ohne Rechnung bleiben die Unschuldige Leute in Amerika und Europa bekommen. Wenn die Nato so irre Führer hat, sollte man sie in der Tat baldigst auflösen. Bevor sie sich gegen uns richtet...

  • F
    fillof

    Die Ermordung Gaddafis Enkelkinder und seines Sohns war bestimmt ein grosser militärischer Schachzug der NATO und ihrer Schergen aus Bengasi . STOPT dieses Morden in Lybien

  • E
    einerseitsandrerseits

    Vielleicht bewegt das tragische Erlebnis des Verlusts des eigenen Kindes Gaddafi ja nun dazu, sich einmal in die Menschen in Misurata hineinzufühlen, deren Eltern, Kinder, Männer und Frauen, Enkel und Opas seit Wochen sterben - auf seinen Befehl hin. Vielleicht zieht er jetzt seine Truppen ab, damit die Menschen frei und ohne Angst selbst über ihre Zukunft entscheiden können, und die Nato den Einsatz beenden kann. Dann hätte es doch etwa Gutes. Andererseits ist jemand, der sich als Oberbefehlshaber seiner Terrortruppen hinter seinen Enkelkindern verschanzt, statt für deren Sicherheit zu sorgen, zu solchen Gefühlen wohl gar nicht mehr in der Lage. Nero war das auch nicht.

  • JR
    Josef Riga

    Es ist völlig unerheblich, wer wieviel Schuld jemand auf sich geladen hat; man schiesst keine Raketen auf Menschen ab.

     

    Die Waffen nieder!

  • G
    grifter

    Die "Adoptivtochter" war eine bulgarische Sexsklavin

    Gaddafis.

  • C
    Carmen

    Der stand bestimmt an ner Luftabwehrkanone...

  • M
    Malik

    Ziel: Sicherung des Flugverbots.Es ging nie um mehr. Auch sagen uns westliche Politiker und Medien stets die Wahrheit. Ganz demokratisch eben.

  • GD
    geht doch

    gut gemacht.

  • ED
    Eneas der Trojaner

    @Peter F.:Fritz Lang's "M" hatte auch eine Ausrede.

  • PF
    Peter F.

    "Eine Adoptivtochter Muammar al Gaddafis kam 1986 bei einem US-Luftangriff ums Leben"

     

    Die Existenz dieser Tochter ist höchst umstritten. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür dass sie nie exiestierte.