Nationale Resozialisierung: Alte Bekannte, neues Geschäft
Für einen inhaftierten Rechts-Rocker haben Kampfgefährten aus der rechten Szene in Kiel ein Fachgeschäft eröffnet – für Schlösser und ihre Öffnung
KIEL taz | In Kiel haben Rechtsextreme mit besten Kontakten zur Rockerszene ein Geschäft eröffnet. Hinter den Schaufenstern mitten im multikulturellen Stadtteil Gaarden stehen aber keine szenetypische Bekleidung oder Musik zum Verkauf. Der An- und Verkaufladen am Vinetaplatz bietet Schlüssel, Schlösser und Gravuren an. In der vergangen Woche wurde auf den Laden ein Farbanschlag verübt. Auf dem Briefkasten des Ladens steht der Name Peter Borchert, in den Freien Kameradschaften aktiver Rechtsextremer und Anhänger der Rockergruppe Bandidos.
In diesem Jahr soll Borchert, der von 2001 bis 2003 schleswig-holsteinischer NPD-Vorsitzender war, aus dem Gefängnis kommen. Immer wieder war er wegen unterschiedlichen Straftaten in Gefängnis – auch wegen Waffenhandels und eines Tötungsdelikts. Zurzeit ist der Bandido in Haft, da er zwei Mitglieder des konkurrierenden Rockerclubs Hells Angels mit einem Messer verletzte. Die neue Berufsperspektive nach der Haft haben Lars Bergeest und Alexander Hardt ermöglicht, enge Mitstreiter von Borchert zu werden.
Schon seit Dezember 2012 bemühen sich Hardt und Bergeest um das Geschäft, im dem es auch legales Einbruchswerkzeug offiziell zu kaufen gibt. Ganz zeitgemäß wird dieses Werkzeug auch auf einer Website angeboten.
Die Firmenwebsite soll Hardt betreiben, der sich mit Borchert auch beim Neonazizentrum „Club 88“ in Neumünster engagierte. Mit Internetgeschäften kennt sich der ebenfalls vorbestrafte Bandido aus: Auf einer Homepage mit der Adresse des Clubs bot er einen so genannten Polenschlüssel an – ein vermeintlicher Generalschlüssel, den Autodiebe nutzen. Im November 2012 verurteile das Amtsgericht Neumünster Hardt zu 13 Monaten Haft, da er Gespräche von Politikern und Polizeibeamten heimlich mitschnitt und später, mit rechtsextremen Kommentaren versehen, im Internet veröffentlichte. Eine Betroffenen ist die Piraten-Landtagsabgeordnete Angelika Beer.
Schon 2010 hatte das Amtsgericht Herzberg den 32-Jährigen zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilte. Er hatte das Booklet der CD „Geheime Reichsache“ von der Rechtsrockband „Kommando Freisler“ verantwortet, in dem auch ein Hakenkreuz verwendet wurde.
Der Verfassungsschutz betrachtet die Geschäftsaktivitäten von Bergeest, Hardt und Borchert als brisant. Diese Zusammenschlüsse von Rechtsextremisten und Rockern würden beobachtet, sagte Dieter Büddefeld, Leiter des VS in Schleswig-Holstein.
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