: Natascha, 43, Frührentnerin
Vor Corona hatte ich keine Angst. Jedenfalls nicht davor, selbst schwer zu erkranken. Bis zu meiner Infektion im April 2022 war ich schon dreifach geimpft. Ich hatte einen milden Verlauf, nur leicht erhöhte Temperatur, Husten, Schnupfen. Nach einer Woche waren die Symptome wieder weg. Doch dann hatte ich ungefähr alle vier Wochen einen positiven Coronatest. Auch gesundheitlich ging es mir zunehmend schlechter. Ich war immer müde, habe mich krank gefühlt und konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren. Diagnose: Post-Covid mit Fatigue-Syndrom.
Während der Pandemie habe ich im medizinischen Dienst gearbeitet und war dafür zuständig, Patienten zu begutachten und zu bewerten, ob bestimmte Leistungen für sie begründbar sind. Da waren vereinzelt schon Post-Covid-Betroffene dabei. Ich weiß noch, dass ich bei einer jungen Mutter zu Besuch war, die ein Herz transplantiert bekommen sollte, weil ihr eigenes nicht mehr richtig funktioniert hat. Sie war völlig aus dem Leben gerissen. Ich weiß noch, wie sehr mich das berührt hat.
Heute sitze ich im Rollstuhl, weil ich nicht länger als 500 Meter alleine gehen kann. Seit mehr als zwei Jahren kann ich nicht mehr arbeiten, obwohl ich das immer so gern getan habe. Als die Symptome schlimmer wurden, war ich erst im Homeoffice und wurde zeitweise krankgeschrieben, um mich auszuruhen. Leider hat nichts davon geholfen. Ich konnte kaum noch vernünftig mit meiner Familie sprechen, dauernd sind mir Begriffe entfallen. Ich hatte Fieber, obwohl ich gar nicht krank war. Meine Post-Covid-Erkrankung hat sich zur schwersten Form, zu ME/CFS entwickelt.
An besonders guten Tagen kann ich selbstständig ein Brot holen. Ansonsten bin ich in der Regel, egal was ich tue, auf Begleitung angewiesen. Mein Mann arbeitet in Vollzeit und muss trotzdem fast den ganzen Haushalt alleine bewältigen. Meine Kinder müssen auf vieles verzichten, um mir unter die Arme zu greifen. Früher haben wir immer viel zusammen unternommen, das vermisse ich sehr. Auch das Reisen. Inzwischen kann ich das nur noch bedingt und auch nur in bestimmte Gebiete, wo es nicht zu warm und nicht zu kalt ist.
Es ist unwahrscheinlich schwierig, mit gesunden Menschen über diese Erkrankung zu sprechen. Denn ich habe eben kein gebrochenes Bein, ich sehe auch nicht unbedingt immer schlecht aus. Wahrscheinlich hat sich deshalb auch in der Politik lange so wenig bewegt. Viele haben immer noch keine Ahnung, was Post-Covid oder ME/CFS überhaupt bedeutet. Und viele wollen davon auch gar nichts wissen, denn an die Pandemie möchte man lieber nicht erinnert werden.
Wir Betroffene werden das leider jeden Tag.
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