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Narzissen und Gewehr

■ Werkschau 2: Fotoarbeiten und -Installationen im Neuen Kunstquartier Berlin (Wedding)

Hinter dem etwas trockenen Titel „Werkschau 2. Fotoarbeiten und -Installationen“ und dem langweiligen Plakat (eine historische Kamera mit dem Bild einer Werkshalle) verbirgt sich mehr, als man zunächst erwartet.

Hier, im Neuen Kunstquartier Wedding, werden, außer dokumentarischer Fotografie, fotografische Arbeiten von dreißig jungen Berliner Künstlern gezeigt. Deren Werke entstanden im Rahmen eines Werkvertragsprogramms der Sozialen Künstlerförderung Berlin, die schon seit 1950 existiert und bundesweit einmalig ist. Unterstützt werden Künstler der Bereiche Bildende Kunst, Theater, Musik und Literatur mit Berliner Wohnsitz und geringem Einkommen. Zwischen 2.000 und 6.000 Mark liegt die Honorarsumme, auf die sich eine unabhängige Jury individuell pro Künstler einigt. Im Gegenzug erhält die Künstlerförderung Arbeiten, die Behörden und öffentlich-rechtliche Einrichtungen in Berlin und aus dem Bund kostenlos ausleihen können.

Die Ausstellung mit 51 Werken versucht einen Überblick über gegenwärtige künstlerische Strömungen in Berlin zu geben. Konzeptionelle Foto-Objekte und Installationen aus den Jahren 1990 bis 1994 bilden hier den Schwerpunkt. Die meisten Arbeiten haben konkrete Themen, sind also nicht nur ästhetische Experimente.

In gewitzter Weise arbeitet Thomas Eller mit dem Abbild seiner eigenen Person: in schwarzem Anzug und mit korrektem Haarschnitt (wie ein Mod) montiert er seine Ganzkörperfotografien auf Metallständer vor ein Hintergrundmotiv. Mal mit einer Blockflöte in der Hand vor einer übergroßen Narzisse (Titel: „The Künstler-SELBST“), mal steht jemand drohend hinter ihm (vielleicht sein Über-Ich).

In Kurt Buchwalds aggressivem „Solinger Altar“ dominiert die Senkrechte. Die Fotoskulptur aus einem Holzpodest, einem Metallblock und sieben senkrecht gestaffelten Spitzformen, zeigt – quasi als umgekehrtes Tryptichon – übereinander plaziert einen erigierten Penis, einen zum Hitlergruß erhobenen Arm und einen Gewehrlauf. Thorsten Goldberg experimentierte in seiner fünfteiligen Serie „Kleine Betten“ mit dem Moment der Bewegung. Die Abbildungen eines sich drehenden Bettes hängte er nämlich hinter runde Plexiglasplatten, die durch ihre Kompaktheit wie Bullaugen aussehen. Um sie herum arrangierte er jeweils einen Fahrradschlauch mit Ventil.

Die fünfteilige Fotoinstallation „inner circles II“ von Oliver Scholten bezieht den Raum am stärksten mit ein. Im Mittelpunkt steht ein Aquarium mit neun eingeschweißten, auf Plexiglasstangen geklebten Unterwassermotiven. Drumherum stehen zudem noch vier auf Metallständer montierte Farbfotos, die den Eindruck eines Aquariums täuschend echt vermitteln. Eine äußerst spannende Ausstellung, die man auf gar keinen Fall versäumen sollte. Katja Winckler

Noch bis zum 17.4., Mi.–So., 12–20 Uhr. Der Ausstellungskatalog kostet 12 DM.

Bewerbungen für das Werkvertragsprogramm Bildende Kunst können immer im Januar bei Frau Kölbel abgegeben werden, Tel. 464 38 41. Neues Kunstquartier Berlin (Wedding), Gustav-Meyer- Allee 25.

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