Napster-Hasser machen Youtube-Kanal: Metallica schleimt sich ein
Vor acht Jahren lehrten sie die mp3-Tauschbörse Napster das Fürchten, heute präsentiert sich die Band Metallica mit eigenem Kanal auf Youtube und dankt den Fans für ihre Cover-Versionen.
Selbst die größte Band kann sich nicht ewig von der Entwicklung der Musikbranche abkoppeln - eine Lektion, die selbst die Rockgiganten von Metallica haben lernen müssen. Anders ist es kaum zu erklären, warum die Band, die in den letzten Jahren vor allem durch ihren Feldzug gegen die Filesharerseite Napster bekannt wurde, plötzlich einen eigenen YouTube-Kanal startet, auf dem Bandmaterial zu sehen ist - und Fans der Band eingeladen werden, Coverversionen von Metallica-Songs hochzuladen.
"Wir sind ganz schön stolz auf das, was ihr da draußen macht", sagt Metallica-Drummer Lars Ulrich in dem Begrüßungsvideo für den neuen Youtubechannel. Gequält bis verkatert grinst er in eine Youtubewackelkamera, hingelümmelt auf einen Treppenabsatz. Begeisterung sieht anders aus. Dennoch betont er: "Dieses coole Zeug macht, dass wir uns lebendig und speziell fühlen."
Da darf der achtjährige Robin hinter einer riesigen E-Gitarre versteckt das Solo von "One" klimpern, spielen brave Geigenmädchen und seifige Klaviervirtuosen "Nothing else matters" und langhaarige Jungs spielen auf Drums und Gitarren Metallica nach.
Die Netzszene reagiert auf Ulrichs Video und den Metallica-Kanal mit Häme - hatte die Band sich doch im Jahr 2000 mit dem Anschwärzen von Tauschbörsennutzern hervorgetan. 335.000 Namen von Personen, die angeblich illegale Kopien von Metallica-Songs besitzen sollen, hatte Band-Drummer Lars Ulrich damals wütend bei der bekannten mp3-Tauschbörse Napster eingereicht und Konsequenzen gefordert. Der erfolgreiche Teil: Napster sperrte Benutzer und Metallica-Songs durch Aktivierung von Filtern - der Anfang vom Ende für die Musiktauschbörse. Der unerfolgreiche: Metallica wurde durch das Anschwärzen ihrer Hörer zu einer der meistgehassten Bands der Netz-Community, über die noch heute Schmähvideos im Netz kursieren.
Dass bei Metallica einiges im Argen liegt, ist seit der skurrilen Banddoku "Some Kind of Monster" bekannt. Denn dort ließ sich die Band bei dem Versuch, das millionenschwere Projekt Metallica mit Hilfe eines strickbepulliten Psychologen vor der Zerstörung durch die Super-Egos von Ulrich und Hetfield zu retten, minutiös filmen - von James Hetfield beim Ballettunterricht seines Töchterchens bis zu Gruppensitzungen der Band, in der sie sich gegenseitige Verletzungen und Befindlichkeiten an den Kopf werfen. Am Ende war jeder Hauch von markiger Rockcoolness entgültig von der Band abgefallen.
Das folgende Album "St. Anger" blieb umstritten, und auch der Feldzug gegen Napster hat sich langfristig nicht als Erfolg erwiesen. Denn Songs von ihrem neuen Album "Death Magnetic", das eigentlich erst am 12.September erscheinen soll, tauchte schon vor einigen Tagen auf den Seiten der tollkühnen Bittorrenttracker Pirate Bay auf. Kein Problem, behauptet Lars Ulrich daraufhin betont locker: "Es ist 2008 und so laufen die Dinge heutzutage einfach, deshalb ist es OK. Wir sind glücklich damit", wird er von Eliot van Buskirk im Wired Blog zitiert.
So glaubwürdig wirkt das nicht - und hundertprozentig verziehen haben viele Netzuser der Band ihre Filesharer-Attacken offenbar immer noch nicht. So häufen sich beim YouTube-Kanal der Band auch kritische und besorgte Kommentare. "Früher habe ich Metallica einmal geliebt", schreibt ein User da. "Aber seit diesem Mist mit Napster habe ich Angst, mir die Videos auf diesem Kanal anzugucken - denn wie kann ich sicher sein, dass ihr mich morgen nicht auch verklagt und einen Dieb nennt (diese Videos gucke ich mir ja auch kostenlos an)?"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“