■ Daumenkino: Naked
Ich weiß nicht, ob einer das Gefühl kennt, wenn man allein, nachdem alle anderen schon schlafen gegangen sind, sich im Morgengrauen ein „Kleines Fernsehspiel“ reinzieht, mitten im kalten Rauch und den Kopfschmerzen. Draußen vor der Tür schabt schon der Hausmeister auf der Straße herum mit dem Schneefeudel. Mike Leigh dreht gern Filme über Postbeamte, Lehrer, verstockte Heimkinder und Hausfrauen, denen er sich mit derselben manirierten Akribie nähert, mit der der Biologe Ireneäus Eibl-Eibelsfeld seinen Ameisen zugesehen haben muß. Die Figur „zynischer Gossenphilosoph“ wird auf die Figur „gutherzige, aber sexuell frustrierte Krankenschwester und S/M-inspirierte Schlampe“ losgelassen – und behält dabei doch jesusmäßig Recht. Bis auf paar witzige Nebenbemerkungen bleibt die Chose unbeabsichtigt hölzern, so Böll in den 50er Jahren, Gesellschaft der Ausgespuckten usw. Muß ich jetzt noch das mit der Palme in Cannes schreiben, die der Film bekommen hat?mn
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