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Press-SchlagNahtlos angeknüpft

■ Hans-Hubert Vogts sorgt zumindest verbal für Kontinuität auf dem Weg zur WM

„Wir müssen da weitermachen, wo wir gegen Brasilien aufgehört haben“, hatte Berti Vogts vor dem Spiel gegen Nigeria erklärt, und einige Augenbrauen zuckten erstaunt in die Höhe. In Stuttgart gegen Brasilien, wir erinnern uns, hatte man damit aufgehört, daß Ronaldo den Siegtreffer für den Weltmeister schoß. Aber einen Satz, der so schön klingt, darf man nicht auf die Goldwaage legen, und so behauptete der Bundestrainer nach dem 1:0 gegen die Afrikaner unverdrossen: „Wir haben da weitergemacht, wo wir gegen Brasilien aufgehört haben.“

Die seltsame Sentenz war auch an den Spielern nicht spurlos vorübergegangen. Kaum einer, der sie nach dem Match nicht pflichtgetreu nachgebetet hätte, nur Christian Wörns wandelte sie leicht ab: „Ich habe nahtlos an meine Leistung gegen Brasilien angeknüpft.“ Wörns, wir erinnern uns, war der Bewacher von Ronaldo. Gemeint hatte er in Wahrheit das, was er wenig später in klaren Worten ausdrückte: „Der Anspruch muß natürlich wachsen nach meinen beiden sehr guten Länderspielen.“ Wörns gehört wie Dieter Hamann zu den Gewinnern vom Mittwoch, und während viele andere noch bangen, ob sie überhaupt mitgenommen werden zur WM nach Frankreich, darf der Manndecker ungeniert nach Kohlers Platz in der Anfangsformation schielen.

Wörns und Hamann, zwei arbeitsame Defensivkräfte der unauffälligeren Art, machten auf der rechten Seite dicht und wurden vom Bundestrainer dafür ausdrücklich gelobt. Weniger Freude hatte Vogts allerdings an seinen links postierten Kräften. Hier wurden Tarnat und Babbel von den Nigerianern permanent ausgetrickst, nach vorn brachten sie wenig. Letzteres gilt auch für Möller und Häßler, wobei sich der Dortmunder mit seinem schönen Tor in der 58. Minute etwas rehabilitierte. Das Experiment mit zwei Kreativspielern im Mittelfeld könnte jedoch endgültig beendet sein.

Gefährlich werde es besonders dann, sagte Stürmer Bierhoff, „wenn wir es schaffen, auf die Grundlinie zu kommen und zu flanken“. Das passierte viel zu selten, und die Flanken waren meist harmlos, wenn ihnen nicht Nigerias Abwehr Brisanz verlieh, wie beim Tor, als Taribo West den Ball genau zu Tarnat köpfte, der ihn an Möller weiterleitete. Zwar gab es nach verkorkster Anfangsphase auch in der Offensive einige gute Kombinationen, aber wie so oft in solchen Vorbereitungsspielen drängten sich nicht unbedingt die auf, die auf dem Platz standen, sondern jene, die aus verschiedenen Gründen fehlten. Vermißt wurde zum Beispiel ein Ziege, ein Basler oder Heinrich in guter Form, aber auch, man glaubt es kaum, Jürgen Klinsmann. Der kam doch nicht zu seinem 102. Länderspiel, weil sich Kirsten kurzfristig fit meldete, aber sonderlich überzeugend war der Angriff mit den beiden ähnlich gearteten Strafraumspielern Kirsten und Bierhoff nicht.

Genauso scheint es auch Berti Vogts zu sehen. „Er bleibt der Kapitän“, stellte der Bundestrainer klar, und auf die Frage, ob es sinnvoll sei, einen Kapitän zu haben, der auf der Bank sitzt, schnappte er bissig zurück: „Wer sagt denn, daß er das nächste Mal auf der Bank sitzt?“ Vieles deutet darauf hin, daß beim Länderspiel in Finnland am 27. Mai endlich auch Jürgen Klinsmann da weitermachen kann, wo er gegen Brasilien aufgehört hat. In Stuttgart, wir erinnern uns, wurde er zur Halbzeit ausgewechselt. Matti

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