Nahrungskrisen in der Welt: Hier wegwerfen, dort hungern
Die schlechte Verpackung von Lebensmitteln verstärkt die Nahrungskrisen, kritisiert die Welternährungsorganisation FAO. Schuld daran seien auch EU-Normen.
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BERLIN taz | Ein wesentlicher Grund für die in vielen Regionen der Welt herrschenden Nahrungskrisen ist die Verschwendung von Lebensmitteln. Das ist die Kernaussage einer Pressekonferenz der Welternährungsorganisation FAO am Donnerstag in Berlin. In den Entwicklungs- und Schwellenländern verderben demnach täglich bis zu 40 Prozent der Nahrungsmittel, bevor sie die Konsumenten erreichen.
Aber auch in Europa werden bis zu 30 Prozent aller Lebensmittel ungenutzt entsorgt. Das sind konkret rund 300 Kilogramm pro Kopf und Jahr - insgesamt rund 70 Millionen jährlich. Neben einer Wegwerfmentalität der Konsumenten seien auch willkürliche EU-Normen schuld an diesem Missstand, so Klaus Töpfer, ehemaliger Chef des UN-Umweltprogramms.
In den Ländern des Südens entstehen die Verluste zum großen Teil durch unterentwickelte Produktions-, Konservierungs- und Verpackungsmethoden sowie durch falsche Lagerung und mangelhafte Infrastrukturen, so Robert van Otterdijk. Er ist Beauftragter für Agrarwirtschaft in der Abteilung Ländliche Infrastruktur der FAO.
Ein Lösungsansatz für dieses Problem könnten wirtschaftliche Entwicklungen und Investitionen im Verpackungsbereich sein. Deshalb habe die FAO "die Notwendigkeit erkannt, mit der privaten Verpackungswirtschaft zu kooperieren". Bessere Verpackungen könnten die Waren davor schützen, verunreinigt zu werden und zu verderben. Außerdem würden sie den Transport von ländlichen in städtische Regionen erleichtern.
Tatsächlich sei die Verschwendung von Lebensmitteln ein ernstzunehmendes Problem, bestätigte auch Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland, der taz. Aber sie könne doch nicht als die größte Ursache des Hungerproblems gesehen werden. "Um das Problem der Unterernährung zu bekämpfen, fordern wir eine Steigerung der Agrarproduktion an sich", erklärte Bendix. Ebenso wichtig sei es, sogenanntes Landgrabbing zu verhindern, also das Verkaufen oder Vermieten von Ackerland in armen Ländern an westliche Investoren, sowie die Exportsubventionen der Industrienationen deutlich zu vermindern.
Über den Kampf gegen die Lebensmittelverluste soll auf einem Kongress am 16. und 17. Mai debattiert werden, den die FAO gemeinsam mit der Messe Düsseldorf veranstaltet. Dort sollen auch Studien zu Nahrungsverschwendung in Industrie- und Entwicklungsländern sowie Strategien gegen diese Verluste vorgestellt werden.
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