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Nahostkonflikt auf dem KirchentagEine Debatte findet nicht statt

Eine "Israel"-Veranstaltung auf dem Kirchentag war gut besucht. Die in den Landeskirchen laufende Palästina-Diskussion wird nur im Ansatz fortgesetzt.

In schlechtem Zustand: Banner der palästinensischen Regierung in Ramallah. Bild: imago/Xinhua

Müssen Christen etwas zu Israel sagen? Aus ihrem Glauben resultiert das nicht - sieht man mal davon ab, dass viele Stätten der Bibel im heutigen Israel liegen. Aber auf dem Kirchentag wird über alles und jeden diskutiert, und das Heilige Land ist ein Sehnsuchtsort für viele christliche Menschen. Gerade wenn sie aus Deutschland kommen.

Mit laut verkündeter Israel-Solidarität lässt sich einerseits ziemlich billig beweisen, dass man als Kind oder Enkel der Tätergeneration aus der deutschen Schuld des Holocaust etwas gelernt habe. Oder umgekehrt: Wer sich als Deutscher oder Deutsche gerade der palästinensischen Sache besonders verbunden fühlt, ist stets in der Not zu belegen, dass die daraus schnell resultierende Kritik an dem jüdischen Staat nicht einer Sehnsucht nach einer Schuldumkehr entspringt.

Der Nahostkonflikt bewegt jedenfalls auch den Kirchentag in Dresden - nur eine richtige Diskussion findet gerade zu diesem Thema nicht statt. Dabei findet sie vor allem in den Landeskirchen bereits statt. Anlass ist vor allem das sogenannte "Kairos-Palästina"-Dokument mit dem christlich-pathetischen Titel: "Stunde der Wahrheit: Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und Palästinenserinnen".

In dem vor allem von palästinensischen Theologinnen und Theologen Ende 2009 veröffentlichten Papier wird auch dazu aufgerufen, "ein System wirtschaftlicher Sanktionen und Boykottmaßnahmen gegen Israel einzuleiten". Dieses Aufforderung kann man gerade in Deutschland als "Kauft nicht bei Juden!" lesen. Dennoch hat dieses Schreiben in Dresden seine Fans. So verkündete etwa ein Flugblatt: "Ein Skandal: Der Kirchentag verweigert sich dem Notschrei der Christen aus Palästina."

"Der Staat Israel versagt"

Insofern war eine aufregende Diskussion zu erwarten, als am Freitag im Kulturpalast zu der Veranstaltung "Das wird man wohl noch sagen dürfen. Israel und wir" geladen wurde. Der Saal war mit Hunderten von Menschen gut gefüllt. Es sprach, durchaus provokant, unter anderem Yariv Lapid, der pädagogischer Leiter der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Österreich. "Der Staat Israel versagt", sagte der Israeli. Das Land erfülle seit Jahrzehnten seine Hauptaufgabe nicht, den Juden eine sichere Heimstatt zu geben. Die existenzielle Gefahr, in der sich Israel befinde, fördere nicht das rationale Denken in der Politik.

Doch wo sich eine offene Debatte hätte entfalten können, versickerte alles schnell im typischen Kirchentags-Betroffenheits-Kauderwelsch. Aus dem Auditorium meldeten sich zwar ein paar Stimmen, die meist mehr oder weniger klar die palästinensische Position hochhielten - meist mit dem Hinweis, mal in Israel/Palästina gewesen zu sein.

Dieser kleine Funke einer möglichen feurigen Diskussion wurde aber durch die Psychoanalytikerin Veronika Grüneisen und die nordelbische Pastorin Martina Severin-Kaiser auf der Bühne wieder ausgetreten. Grüneisen sagte im perfekten Kirchentagsslang, man dürfe hier in Deutschland angesichts der Lage im Nahen Osten dem Gefühl der "Hilflosigkeit, Ohnmacht und Verzweiflung" eben "nicht ausweichen". Die Pastorin riet gut protestantisch, "uns kritisch zu hinterfragen". Dem Kirchentag fehlte der Mut zu einer großen Debatte. Und die Worte.

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15 Kommentare

 / 
  • HG
    Heinrich Georg Rothe

    Danke für diesen kompetenten Artikel! Welch trauriges Zeichen für den Kirchentag, wenn das direkte Gespräch mit den christlichen Autoren des Kairos-Palästina-Dokument nicht erlaubt ist, nur eine "kritische" Sicht auf den Text im Rahmen des christlich-jüdischen Dialogs! Obwohl "Kairos-Palästina" diskutiert wird und die Palästinafrage aktuell ist wie selten!

  • DA
    dresdner atheistin

    Ich kann dem obigen Leserkommentar nur zustimmen.

    Immer nur auf Israel rumhacken - das bringt's echt nicht!

    Gott ist tot. (Nietzsche)

  • IB
    Israel Beobachter

    @arabischer Christ,

     

    das interessiert niemanden, Christenmorde werden stillschweigend hingenommen, ja mehr noch, tabuisiert, Hauptsache, man kann sich wieder an den Juden abarbeiten, mich kotzt die Verlogenheit dermassen an, das kann sich niemand vorstellen. Es gibt fast keine Christen mehr in Betlehem, in Nazareth (obwohl unter israelischer Verwaltung) geschieht die "stille" Vertreibung der Christen, der organisierte Zuzug von Moslems, um die Stadt "rein (wie übrigens auch im gesammten Gebiet zwischen 1948 und 1967 die arabische Zuwanderung forciert wurde) zu halten, Und was tun unsere Medien und vor allen Dingen die Kirchen?

     

    Nada, nichts, na, ja, dem lutherischen Weltkirchenrat steht ein "Palästinenser" vor, der meint, durch Kooperation mit den Muslimen seinen eigenen Po retten zu können, aber es ist nicht so, die Welt ist gegen Israel, jetzt braucht man die Christen nicht mehr....sie lügen seit Jahren, wer soll diesen Lügen widerstehen?

  • G
    GuntherG

    @Arabischer Christ:

    Ich versuche nun seit gestern auf Ihr posting einzugehen, doch wie Sie sehen, sehen Sie ....nichts.

    Offensichtlich ist ein diskurs über dieses Thema in der TAZ nicht erwünscht.

    Übrigens bin ich ganz Ihrer Meinung.

  • E
    Ella

    Es fehlen die Worte,der Mut und sehr wahrscheinlich auch die Sinnhaftigkeit der Diskussion.

    Wer über den Nahostkonflikt noch etwas beitragen möchte,müsste eine ganz neue Sprache erfinden,denn in allen bekannten Sprachen der Welt wurde das Thama durchgehechelt und gedreht wie ein rasender Kinder -Dilldopp" ohne dass sich Lösungen gefunden hätten,die den Tag überdauern.

    Vielleicht sollte der Kirchentag auch einmal etwas anderes versuchen: sich darin zu üben zu schweigen wo es nichts zu sagen gibt.

    Alles andere ist nicht nur langweilig,es ist eine Zumutung!

  • G
    GuntherG

    @Arabischer Christ:

    Dies habe ich mich beim Lesen auch gefragt, da der Titel für mich vermuten lies auch etwas zu diesem Thema zu erfahren.

    Aber es ist ja so das der Islam in der zwischenzeit auch zu Deutschland gehört, wie ich den Worten unseres Bundespräsidenten entnehmen konnte.

    Dieser ist ja in der zwischenzeit auch dabei Indien zu erklären das der Islam die führende Religion in ihrem Land ist!

    Es ist ja in der heutigen Zeit nicht opportun in irgendeiner Form den Islam zu kritisieren, der sich ja gerade aufmacht so richtig toll demokratisch zu werden.

  • M
    Mike

    Die Antworten auf die Fragen von Arabischer Christ (03.06.2011 18:34 Uhr) interessieren mich und fast alle Personen aus meinem direkten Umfeld auch sehr. Ich gehe aber mal davon aus, dass sie nur rhetorischer Natur sind. Denn, wer glaubt heutzutage noch, dass man solche Fragen unbeschadet sachlich und ehrlich beantworten kann/darf. Würde z.B. ein deutscher Politiker öffentlich solche Fragen stellen, dann wäre seine Karriere, so sicher wie das Allahu Akbar in der Moschee, beendet.

  • V
    vic

    Pardon, die Quelle:

     

    John Lennon, Imagine

  • V
    vic

    "Imagine there's no Heaven

    It's easy if you try

    No Hell below us

    Above us only sky"

     

    Wär das nicht schön?

  • V
    vic

    Wer hört die Notschreie der Moslems, der Gottlosen wie ich einer bin, der zahlreichen anderen Religionen?

    Na also.

  • KB
    karin bryant

    Auf die Idee dass die dt.Kirchen den Christen in islamischen Laendern,wo sie wirklich prekaer leben und um ihr Leben fuerchten muessen,helfen sollte und es auch als Thema auf diesem Kirchentag machen sollte, ist offenbar keiner dieser Leute gekommen.

    In Aegypten fackeln fanatische Muslime koptische Kirchen ab,der Besitz einer Bibel kann den Tod bedeuten ,auch die Tuerkei das Vorzeigeland der Islamfluesterer ,ist keine Land wo Christen ihren GLauben ohne Angst ausueben koennen. Es ist so viel einfacher ueber Israel zu schimpfen,denn da bekommen die Pfaffen auch Beifall von den Muslimen.

  • G
    GuntherG

    @Arabischer Christ:

    Dies habe ich mich beim Lesen auch gefragt, da der Titel für mich vermuten lies auch etwas zu diesem Thema zu erfahren.

    Aber es ist ja so das der Islam in der zwischenzeit auch zu Deutschland gehört, wie ich den Worten unseres Bundespräsidenten entnehmen konnte.

    Dieser ist ja in der zwischenzeit auch dabei Indien zu erklären das der Islam die führende Religion in ihrem Land ist!

    Es ist ja in der heutigen Zeit nicht opportun in irgendeiner Form den Islam zu kritisieren, der sich ja gerade aufmacht so richtig toll demokratisch zu werden.

     

    Deshalb glaube ich auch kaum das dieses Posting hier veröffentlicht wird, da man bei Islamkritik unbedingt und zwangsläufig ein Nazi sein muss.

  • ON
    Old Nobody

    @Arabischer Christ:

    Israel ist im Gegensatz zu Afghanistan, Iran, Ägypten und dem Libanon seit Jahrzehnten ein entwickelter, demokratischer und wohlhabender Staat der sich auch selbst mit den Werten des sog. Westens identifiziert.

     

    Israel in eine Reihe mit diesen Schurkenstaaten zu stellen ist eine Beleidigung! Israel ist nun mal ein jüdischer Staat, und Christen sind keine Juden, genauso wenig wie Araber.

  • S
    Stefan

    Man kann übrigens auch aus anderen Gründen mit Israel solidarisch sein. Ich jedenfalls muss keine vermeintliche Holocaust-Schuld abschütteln. Es gibt genug sachliche Argumente und Fakten.

    Aber die, denen "die Palästinenser am Herzen liegen" sollten sich in der Masse mal fragen, warum gerade diese? Und warum ihnen das Leben und Überleben der Israelis so egal ist? Was macht die Palästinenser und ihren mehrheitlich getragenen "Freiheitskampf" (auch gerne Vernichtungskampf gegen Israel) den Deutschen so sympathisch? Hat sicher nix mit einer unterschwelligen Abneigung gegen das Judentum zu tun.

  • AC
    Arabischer Christ

    Da toben sich die Berufsbetroffenen wieder an Israel aus - klar, hier ist die Anklage auch sicherer, als wenn es um die islamische Welt geht.

     

    Meine Fragen an die durchaus als religionskritisch bekannte taz-Redaktion (die bei diesen Themen mal ganz investigativ nachrecherchieren könnte):

     

    Gab es auch ein Symposium zum Thema Morde an Kopten in Ägypten?

     

    Wurde die Lage von Juden, Bahai und Christen im Iran debattiert?

     

    Hat sich irgendjemand für den Exodus der Christen aus dem Irak interessiert? Oder für die Ermordung christlicher Pfarrer in der Türkei?

     

    Wie leben Christen im Gaza-Streifen? Haben sie genauso viele Rechte wie Araber und Christen in Israel? Gibt es überhaupt noch welche?

     

    Wie entfalten Christen im islamistischen Süd-Libanon ihren Glauben?

     

    Welche Rechte haben Christen in Saudi-Arabien, Pakistan oder Afghanistan? Werden sie nur ermordet oder vorher noch gefoltert?

     

    Wahrscheinlich gab es angesichts der Bet-Einladungen von Kässmann an die Taliban keine Zeit für kritische Workshops. Weil: Wer sich anbiedert, lebt eben sicherer.