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Nahostkonferenz AnnapolisBeschwörung der Friedensverhandlung

Abbas und Olmert wollen ab sofort wieder über Frieden verhandeln - doch die Erklärung, die sie unterzeichnet haben, klammert mal wieder alle ungelösten Kernprobleme aus.

Auf dem Weg zum Frieden? Olmert, Bush und Abbas. Bild: dpa

Die Schlussbemerkung von US-Außenministerin Condoleezza Rice fiel nach der ganztägigen Nahostkonferenz in Annapolis am Dienstag erstaunlich knapp aus. Der Weg zu einem Friedensvertrag zwischen Israelis und Palästinensern werde "hart und risikoreich" sein. Für eine Zwei-Staaten-Lösung müssten die Konfliktparteien auch Opfer bringen. Und: "Scheitern ist keine Option, wir müssen erfolgreich sein."

Es klang mehr wie eine Beschwörung als wie der beabsichtigte Beginn eines neuen Friedensprozesses, an dessen Ende ein palästinensischer Staat der Gesamtregion Frieden und Stabilität bringt. Dabei hatte es zum Auftakt des Gipfels, zu dem Vertreter von mehr als 49 Nationen und Organisationen angereist waren, nicht an Willens- und Entschlossenheitsbekundungen gemangelt. In einer gemeinsamen Erklärung hatten am Morgen der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erklärt, dass sie ihre "Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, Blutvergießen, Leiden und jahrzehntelange Konflikte zwischen unseren Völkern zu beenden." In der Umarmung von US-Präsident George W. Bush reichten sich beide Männer die Hand und versprachen, Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen, die bis zum Ende der Amtszeit von Bush in 14 Monaten zum Ziel führen sollen.

Was in der Nacht vor dem Gipfel und bei dem Treffen selbst tatsächlich passiert war, darüber gibt es nur Spekulationen. Denn die Diplomaten und Unterhändler tagten, abgeschirmt durch strenge Sicherheitsmaßnahmen, fern ab der 750 angereisten Journalisten und ließen sich den ganzen Dienstag über kaum blicken. Wie frisch die gemeinsame Erklärung von Abbas und Olmert zu dem Zeitpunkt war, als Präsident Bush mit seiner Rede die Konferenz in der Marine-Akademie eröffnete, ließ sich erraten, weil Bush in untypischer Weise seine Brille aufsetzten musste, um den noch Minuten vorher abgeänderten Text vorlesen zu können.

Wegen eines kontroversen Absatzes sollen die Diplomaten in der Nacht vor der Konferenz kaum ins Bett gekommen sein. Als es beim Eintreffen des US-Präsidenten kurz vor dem Beginn des Meetings noch immer keinen Text gab, nahm Bush nacheinander Olmert und Abbas zur Seite, berichtete sein Nationaler Sicherheitsberater, Stephen Hadley. Der Präsident sei nicht bereit gewesen, sich ohne gemeinsame Erklärung auf die Bühne zu begeben. Nach 25 Minuten beschlossen die Kontrahenten gemeinsam mit Rice den umstrittenen Absatz einfach zu streichen und die Wortwahl verschiedener Stellen abzuändern. Fünf Minuten, bevor Bush zum Podium ging, lag das Dokument schließlich vor. Keine der Seiten wollte anschließend erklären, um was es in dem gestrichenen Absatz gegangen war.

Diese Episode gibt einen Vorgeschmack auf das zähe Ringen, in das der in Annapolis zur Schau gestellte Handschlag bei den ab Mittwoch beginnenden Friedensverhandlungen umschlagen könnte. Die gemeinsame Erklärung war trotz monatelanger Verhandlungen erst in letzter Minute zustande gekommen und klammerte schließlich die seit Jahren ungelösten Kernprobleme gänzlich aus. Der Text erwähnt weder die Zukunft der jüdischen Siedlungen im Westjordanland, noch die endgültigen Grenzen eines Staates Palästina, noch den Status Jerusalems und behandelt auch nicht die umstrittene Rückkehr der 1948 bei der Gründung Israels vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge.

Ein einziger konkreter Punkt tauchte schließlich in der Eröffnungsrede Abbas auf. Er forderte, dass Ostjerusalem die Hauptstadt des geplanten eigenen Staates sein müsse. In seinem Appell sagte Abbas, Krieg und Terror müssten der Vergangenheit angehören. Olmert versprach, dass bei den Friedensverhandlungen kein einziger Streitpunkt ausgelassen werde. An die Adresse der arabischen Konferenzteilnehmer gerichtet sagte er: "Es ist an der Zeit, den Boykott und die Entfremdung gegenüber dem Staat Israel zu beenden."

Unterdessen sprach die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas, die nicht zu dem Treffen eingeladen worden war, der Abbas-Delegation das Recht ab, für alle Palästinenser zu sprechen.

Nach seiner Abreise aus Annapolis gab sich Präsident Bush skeptisch. Beide Führer stünden vor schwierigen Entscheidungen, dennoch seien in Annapolis aber auch die Umrisse einer neuen Vision für den Nahen Osten sichtbar geworden, sagte Bush. "Ich denke nicht, dass es ein Risiko ist, den Frieden zu suchen", erklärte Bush im Weißen Haus in Washington. "Ich denke, es ist eine Verpflichtung." Ohne Annapolis bestehe die Gefahr, "dass wir eine ganze Generation an Radikale und Extremisten verlieren".

Zum Abschluß meinte Außenministerin Rice, dass nach Annapolis nun auch direkte Verhandlungen zwischen Israel, dem Libanon und Syrien vorstellbar seien. Am Nachmittag hatte der saudi-arabische Außenminister Saud al-Faisal im Gespräch mit Journalisten von Israel baldige Verhandlungen mit Syrien und dem Libanon gefordert. Syrien fordert von Israel die Rückgabe der seit 1967 besetzten Golan-Höhen, eine Forderung, die zahlreiche Vertreter arabischer Staaten unterstützen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gab sich vor seiner Abreise aus Annapolis verhalten optimistisch. Die Nahost-Konferenz habe die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, meinte er. "Es geht jetzt darum, diese Chance zu nutzen, um Wege zum Frieden zu finden." Mit Blick auf die Hamas, sagte Steinmeier, dass die faktische Zweiteilung Palästinas nicht von Dauer sein dürfe, wenn die Friedensverhandlungen zum Erfolg führen sollen.

Am Mittwoch will sich Bush erneut mit Abbas und Olmert, diesmal in Washington, treffen. Der US-Präsident wolle im Weißen Haus die in Annapolis vereinbarten Friedensverhandlungen in Gang setzen, erklärte US-Außenministerin Rice zum Abschluss des Gipfels. Das erste Treffen von Vertretern beider Seiten werde am 12. Dezember in Jerusalem stattfinden, hieß es.

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