: Nafta: Allein Clintons Sache?
■ Nachdem drei Umweltschutzgruppen ein Urteil gegen den nordamerikanischen Freihandelsvertrag erwirkt haben, geht die US-Regierung in die Berufung
Washington (dpa/AFP/taz) – Darf Präsident Clinton das Abkommen über die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) in seiner jetzigen Form unterzeichnen, oder muß er vorher ein Umweltgutachten erstellen lassen? Drei Umweltschutzgruppen, die gegen die Vereinbarung klagen, hatten vor einem Bundesgericht in Washington zunächst recht bekommen: Der Richter hatte US- Präsident Bill Clinton am 30. Juni untersagt, den Nafta-Vertrag in den Kongreß einzubringen, da er gegen die Gesetzgebung zum Umweltschutz verstoße. Nach dem Urteil muß die Regierung zunächst ein Gutachten über die Umweltauswirkungen der Freihandelszone erstellen lassen, bevor die Vereinbarung in Kraft tritt.
Am Dienstag nun hat die US- Regierung Berufung gegen den Beschluß eingelegt. Sie begründete dies in Washington damit, daß internationale Abkommen allein Sache des Präsidenten seien und daher nicht unter das Umweltschutzgesetz von 1970 fallen. Dieses Gesetz schreibt vor, daß vor jeder Entscheidung der Bundesbehörden, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können, ein Gutachten erstellt werden muß. Wann das Berufungsgericht seine Entscheidung verkündet, war zunächst nicht bekannt.
Damit der Vertrag, wie von den Regierungen der Teilnehmerstaaten Kanada, USA und Mexiko vereinbart, noch vor Ende des Jahres ratifiziert werden kann, müßte er spätestens im Herbst in den Kongreß eingebracht werden. Während er im Senat auf wenig Widerstand stößt, lehnen zahlreiche demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses den Freihandelsvertrag ab. Die Eile finden mittlerweile in den USA viele Kritiker unangebracht: Die EG, so argumentieren sie, habe schließlich, von den Römischen Verträgen ausgehend, Jahrzehnte bis zum gemeinsamen Binnenmarkt gebraucht.
Die drei nordamerikanischen Staaten wollen mit dem Nafta- Vertrag die größte Freihandelszone der Welt mit 350 Millionen Verbrauchern schaffen. In den nächsten 15 Jahren sollen 20.000 Zoll- und Importbestimmungen beseitigt werden. Experten schätzen, daß gerade der amerikanisch- mexikanische Handel von derzeit 76 Mrd. auf 100 Milliarden Dollar im Jahr 1995 ansteigen wird.
Um die massive Kritik von Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen zu zerstreuen, hatten die US-Behörden mit Mexiko und Kanada mehrere Zusatzabkommen ausgehandelt.
Die Hoffnungen der Freihändler auf neu entstehende Einnahmequellen im größten Binnenmarkt der Welt entsprechen genau den Befürchtungen der Nafta-Kritiker. Immer mehr Produktionsstätten und damit Arbeitsplätze würden aus den USA hinter die Grenze in das Billiglohnland Mexiko verlegt, wo der durchschnittliche Stundenlohn nur zwei Dollar beträgt. Im Grenzgebiet befürchten Umweltschützer eine weitere Zunahme der Umweltbelastung.
Die Kritik ist keinesfalls aus der Luft gegriffen. Bereits seit 1965 hat Mexiko im Grenzgebiet zu den USA Freihandelszonen mit erleichterten Exportbestimmungen geschaffen und damit zahlreiche US-Firmen angelockt. So sind, gegenüber der texanischen Stadt Brownsville, im mexikanischen Grenzort Matamoros von US-Firmen zahlreiche Fabriken errichtet worden. Während Matamoros boomt, ist Brownsville die zweitärmste Stadt in Texas.
Die Umweltbelastungen allerdings teilen sich die Grenzlandbewohner: Der Elektronik-Konzern Zenith leitete jahrelang seine Abwässer ungeklärt in den Grenzfluß Rio Grande, und General Motors vergiftete die Luft mit Xylen. Selbst konservative Wirtschaftsmagazine wie die US-amerikanische Business Week oder die deutsche Wirtschaftswoche berichten inzwischen ausführlich über den Umweltfrevel der US-Konzerne jenseits der Grenze. Wie sie berichten, wurden in Brownsville und Matamoros 1992 38 Babys ohne Gehirn geboren. dri
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