Nächtliche Gewalt in Den Haag: Straßenschlachten mit der Polizei
Der Tod von Mitch Hernandez in Polizeigewahrsam löst andauernde nächtliche Krawalle aus. Das Viertel Schilderswijk in Den Haag ist berüchtigt.
Die Polizei setzte Schlagstöcke, Pferde und Hunde ein. Demonstranten griffen zu Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern und versuchten, eine Polizeiwache zu stürmen. Ein Beamter wurde mit einem brennbaren Stoff übergossen.
Auslöser der Proteste ist der Tod des Arubaners Mitch Henriquez, 42, der in den Niederlanden zu Besuch war. Vergangenen Samstag Abend wurde Henriquez bei einem Open Air- Musikfestival in Den Haag festgenommen. Die Polizei beruft sich auf mehrere Besucher, denen zufolge er gerufen habe, er trüge eine Waffe.
Bei der Festnahme entstand ein Gemenge, wonach fünf Polizisten den Arubaner mit Gewalt auf den Boden drückten. Ein Filmausschnitt zeigt diese Szene etwa eine Minute lang. Am Ende bewegt sich Henriquez nicht mehr, die Polizisten werden sichtlich nervös, Umstehende beginnen zu schreien. Am Sonntag stirbt Henriquez im Krankenhaus.
Rassistische Gewalt der Polizei
Eine Obduktion zu Wochenbeginn nennt Sauerstoffmangel als Todesursache. Dieser sei „sehr wahrscheinlich durch den Polizeieinsatz verursacht”, so Kitty Nooy von der Staatsanwaltschaft Den Haag. Die Umstände sollten „sehr sorgfältig untersucht” werden. Die fünf Beamten seien verdächtig, an Henriquez‘ Tod beteiligt zu sein.
Der Haager Polizeichef Paul van Musscher sagte, sie seien umgehend suspendiert worden. Dass ein Verdächtiger bei einer Festnahme ums Leben kommt, nannte er „schrecklich”. Henriquez‘ Angehörige machen den niederländischen Staat für seinen Tod verantwortlich und kündigten ein gerichtliches Vorgehen an.
Die Proteste im Viertel wenden sich von Beginn an ausdrücklich gegen Polizeigewalt. Begleitet sind sie von „Polizei-Mörder”- Rufen. Auch in der Nacht zu Donnerstag stand am Anfang eine Demonstration vor der Polizeiwache in Schilderswijk.
Im Fokus war dabei das vermeintlich rassistische Auftreten der Beamten. „Es muss nicht nur Gerechtigkeit für Mitch geben, sondern auch Schluss sein mit ethnischem Profiling und (rassistischer) Polizeigewalt. Weiterhin fordern Demonstranten im Fall polizeilicher Gewalt eine unabhängige Untersuchung und den Rücktritt des Polizeichefs Van Musscher.“ Der Lokal- Sender Omroep West zitierte 2013 in einer Reportage mehrere Ex- Beamte, die von Einschüchterung, Gewalt und Rassismus seitens der Polizei im Viertel sprechen.
Den Haag hat in dieser Hinsicht ohnehin einen zweifelhaften Ruf. Ende 2012 erschoss ein Polizist auf dem Bahnhof Hollands Spoor den 17jährigen Rishi Chandrikasing. Dieser soll zuvor einen Mann bedroht und ihm gesagt haben, er trage eine Waffe. Chandrikasing, übrigens unbewaffnet, wurde auf der Flucht vor Polizisten erschossen. 2013 wurde der Schütze vom Verdacht des Mords, bzw. Totschlags freigesprochen. Mehrere dschihadistische Kundgebungen und Rufe wie „Scheiß-Juden“ lassen das Viertel Schilderswijk nicht gerade im besten Ruf erscheinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus