Nadim Chahrour wundert sich über den ausbleibenden Besucheransturm im Naturkundemuseum: Es ist einsam um T-Rex Tristan Otto
Lange ist es her, dass ich das letzte Mal im Naturkundemuseum war. Die Ausstellungssensation, dass dort seit Kurzem der Tyrannosaurus Tristan Otto zu sehen ist, scheint ein guter Anlass, Kindheitserinnerungen aufleben zu lassen. Ich bin überrascht, dass die Schlange vor der Kasse so kurz ist: Immerhin war der Dino groß in allen Zeitungen. Voller Erwartung laufe ich schnurstracks durch die Eingangshalle und betrete den Raum, der eigens für Tristan Otto hergerichtet wurde. Da ist er. Tristan Otto, der König der Dinosaurier. Er wirkt auf den ersten Blick imposant, vor allem sein gigantisches Raubtiergebiss mit den scharfen Zähnen. Auf den zweiten Blick muss ich doch eher schmunzeln. Tristans Arme wirken geradezu mickrig. Und: War er wirklich so klein, der T-Rex?
Die Halle ist leicht beleuchtet, das Skelett des rund zwölf Meter langen und vier Meter hohen Sauriers kommt gut zur Geltung. Jedoch ist der Raum auch weniger gut besucht als erwartet. Außen herum sitzen ein paar Leute. Kein Problem, ungestört um ihn herum zu laufen und von allen Seiten anzuschauen. Einige Architekturstudenten sitzen auf Klappstühlen und auf dem Boden um den Saurier herum. Konzentriert skizzieren sie das Skelett, man hört das Kratzen ihrer Bleistifte auf dem Papier. Der Besucheransturm, so scheint es, hält sich zumindest innerhalb der Woche in Grenzen.
„Das ist auch für uns überraschend“, sagt ein Wachmann schulterzuckend. „Am Wochenende stehen die Besucher sicher wieder Schlange“, versichert er und dreht weiter seine Runden.
Eine Familie betritt die Ausstellung, und den Kindern fällt die Kinnlade runter. „Der ist sooo groß, Mama“, staunen sie. Die Mutter nickt und guckt auf ihr Smartphone. In ihren Händen halten sie kleine Plastikdinos aus dem Souvenirshop, echte Dinofans. So viel Begeisterung kann ich nicht aufbringen, aber etwas nostalgisch werde ich schon – besonders, als ich zurück in den großen Saal gehe. Ach, der Brachiosaurus, dieser nette Pflanzenfresser. Sein dreizehn Meter hohes Skelett lässt den T-Rex klein aussehen und scheint auch genauso viele, wenn nicht sogar mehr Interessierte anzulocken. Allerdings: Früher kam mir der Brachiosaurus ebenso wie das Museum noch viel größer vor. Allein der ausgestopfte Wasserbüffel nebenan mit seinen lieben Glasaugen: Der beeindruckt mich noch immer. Der ist auch heute noch genauso groß wie vor zwölf Jahren.
Nach rund einer Stunde verlasse ich das Museum. Das nächste Mal werde ich mir das Aquarium vornehmen. Mal sehen, vielleicht sind dort ja auch die Quallen geschrumpft.
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