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Nachwuchsfussballer über Verletzungen„Meine Muskeln waren weg“

Julian Koch war hoffnungsvoller Junioren-Nationalspieler. Dann verletzte er sich schwer. Nach 20 Monaten ist der 21-Jährige nun zurück auf dem Platz.

Julian Koch im Kopfballduell mit Jürgen Gjasula vom FSV Frankfurt – vor fast zwei Jahren Bild: dpa
Interview von Kai Griepenkerl

Kreuzbandriss, Außenbandriss, Muskelabriss, Innenmeniskusriss und Kompartmentsyndrom – in einem einzigen Spiel zog sich Junioren-Nationalspieler Julian Koch beinahe alle Fußballer-Verletzungen zu. Zehn Monate lang sah der Verteidiger, so etwas wie ein Shootingstar der Zweiten Liga, keinen einzigen Ball mehr. Nach über 600 Tagen hat er nun sein Comeback für den MSV Duisburg gefeiert.

taz: Herr Koch, erinnern Sie sich an Ihr erstes Bundesligaspiel für Borussia Dortmund?

Julian Koch: Natürlich. Es war für mich im März 2010 schon schön, im Kader gegen Mönchengladbach zu stehen. Als ich eingewechselt werden sollte, war ich voller Adrenalin. Ich wusste überhaupt nicht, dass ich gemeint war, als ich beim Warmmachen gerufen wurde. Das habe ich erst nach ein paar Sekunden realisiert, als es mir die anderen Ersatzspieler gesagt haben.

Sie waren ja auch BVB-Fan?

Am Anfang schon. Ich hatte ein Trikot von Andreas Möller, wollte aber immer eines von Dédé haben. Und plötzlich durfte ich mit ihm in einer Mannschaft spielen. Er weiß übrigens bis heute nicht, dass er mein Vorbild war.

Nach Ihrer Debütsaison mit zwei Kurzeinsätzen wechselten Sie nach Duisburg.

Es war klar, dass es für mich das Beste war, mich ausleihen zu lassen. Ich habe dann eine ganz ordentliche Saison gespielt und mich enorm weiterentwickelt – bis zu meiner Verletzung.

JULIAN KOCH

Der 21-Jährige galt lange als eines der größten Defensivtalente des deutschen Fußballs. Mit 19 feierte er sein Bundesligadebüt für Borussia Dortmund. 2010 wurde er an den MSV Duisburg ausgeliehen und wurde da zum U21-Nationalspieler. Am 25. Februar 2011 verletzte er sich in Oberhausen so schwer, dass ihm beinahe ein Bein hätte amputiert werden müssen. (taz)

Wie oft mussten Sie an die Verletzung in Oberhausen denken?

Anfangs ziemlich oft. Aber je mehr die Zeit vergeht, desto weniger beschäftige ich mich mit diesem Tag. Langsam kommt der Punkt, an dem ich komplett mit der Verletzung abgeschlossen habe. Das ist für mich abgehakt.

Hatten Sie schon über ein Ende der Karriere nachgedacht?

Klar. Am Anfang war vieles kritisch. Da stellte sich die Frage, ob ich überhaupt wieder spielen kann, weil die Ärzte noch nicht absehen konnten, wie es mit dem Kompartmentsyndrom abheilt.

Es bestand sogar die Gefahr einer Unterschenkelamputation.

Das war direkt am Anfang in der akuten Phase. Eigentlich hatte ich erst am Nachmittag nach der Verletzung einen Kernspin-Termin. Aber mein Knie war morgens extrem dick angeschwollen, und mein Vater meinte, dass das nicht normal sei. Er hat mich überredet, ins Krankenhaus zu fahren. Dort wurde ich direkt operiert. Wenn ich wie geplant gekommen wäre, hätten sie mir den Unterschenkel wahrscheinlich abnehmen müssen.

Wie haben Sie das verarbeitet? Ich musste erst mal damit umgehen, von nur Power und Training auf komplett nichts zu fallen. Das war am Anfang ein ungewohntes Gefühl. Meine Muskeln waren bald komplett weg, weil ich nur im Bett gelegen habe.

Zu Beginn dieser Saison mussten Sie dann den nächsten Rückschlag hinnehmen.

Ich bin in der Sommervorbereitung wieder ins Training beim MSV eingestiegen. Es sah auch alles so weit ganz gut aus, aber dann kam ein Innenmeniskusriss dazwischen.

Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?

Mein Innenmeniskus ist im Laufe der Reha-Phase noch mal gerissen, ich habe das aber nicht gemerkt, weil ich keine Schmerzen oder Schwellungen hatte. Das ist erst bei einem Folge-MRT aufgefallen. Dann musste es halt gemacht werden, das kommt vor.

Verzweifeln Sie an Ihrem Körper?

Zwischendurch kam ich natürlich an meine Grenzen. Es gab ein, zwei Tage, an denen ich einfach keinen Bock mehr hatte. Aber ich habe so viel Zeit und Arbeit in die Reha gesteckt, dass ich weitermachen musste. Ich habe fünf bis sechs Stunden pro Tag geschuftet. Vom Aufgeben halte ich nicht so viel.

Haben Sie Angst, dass Sie gleich der große Hoffnungsträger beim MSV sein werden?

Ich denke schon, dass die Fans ein paar Erwartungen an mich haben. Aber sie wissen, was ich für eine lange Zeit hinter mir habe. Ich glaube nicht, dass mich die Fans nach ein, zwei, drei schlechten Spielen ausbuhen werden.

Aber ist ein Abstiegskandidat tatsächlich gut geeignet für ein Comeback?

Das kann man schwer sagen. Wir haben eigentlich eine gute Mannschaft. Es haben nur einige Dinge nicht gestimmt. Daher bin ich auch der Meinung, dass wir kein Abstiegskandidat sind.

Was haben Sie sich persönlich für die Saison vorgenommen?

Mein erstes Ziel ist, gesund durch die Spielzeit zu kommen.

Ihre OP-Narbe wird Sie auf diesem Weg begleiten.

Ach, die fällt mir gar nicht mehr auf, meiner Freundin auch nicht. Wenn ich im Sommer etwas brauner bin, ist sie komplett verschwunden.

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