Nachtflüge vor Gericht: Wie man sich bettet
Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Nachtflugregelungen für den Flughafen in Schönefeld entschieden. Die Gegner protestieren mit simuliertem Fluglärm.
Über die Flugrouten ist im Prinzip entschieden, nun wird die Nachtruhe zum Symbol des Widerstands von Flughafen-Gegnern: Mit einer Menschenkette, Plakaten und Trillerpfeifen haben hunderte Berliner und Brandenburger am Dienstag vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen nächtlichen Fluglärm protestiert. "Die Nacht ist zum Schlafen da", war etwa auf Schildern vor dem Gerichtsgebäude in Leipzig zu lesen. Die Demonstranten spielten simulierten Fluglärm ein. "Wir brauchen Lärmpausen", forderte Astrid Bothe vom Bürgerverein Berlin-Brandenburg. Im Gericht wollen die Richter diesen Mittwoch entscheiden, ob die derzeit geplanten Regelungen rechtlich in Ordnung sind. Das Urteil wird später verkündet. Der Flughafen BER soll am 3. Juni 2012 eröffnen.
Eigentlich wollte der Flughafenbetreiber rund um die Uhr Maschinen starten und landen lassen. Dem schoben die Richter indes in einer ersten Verhandlung einen Riegel vor. Heraus kam eine Nachruhe von Mitternacht bis fünf Uhr. Allerdings dürfen in dieser Zeit Post- und Militärflugzeuge, Staatsgäste sowie verspätete Interkontinental-Flugzeuge landen. Zwischen 22 Uhr und Mitternacht sowie zwischen fünf und sechs Uhr morgens soll die Zahl auf bis zu 103 Flüge begrenzt werden.
Den klagenden Anwohnern und Anrainergemeinden geht das Verbot nicht weit genug. Sie wollen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr überhaupt keine Starts oder Landungen. "Nachtflüge sind menschenverachtend", schimpfte der Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier. Seine Gemeinde liegt direkt am westlichen Flughafenrand und wird wohl am meisten betroffen sein. Baier hatte gemeinsam mit Kollegen vor Jahren vergeblich gegen den Flughafenbau in Schönefeld geklagt. Das Gericht erlaubte damals, zwischen besiedelte Gebiete den nach Kapazität drittgrößten Flughafen Deutschlands zu bauen.
Flughafenchef Rainer Schwarz drohte mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, würden die Regelungen verschärft. Mit dem Flughafen entstünden Zehntausende neuer Arbeitsplätze, bei einem kompletten Nachtflugverbot wären es etwa 18.000 weniger, sagte er.
Vor Gericht warfen die Flughafen-Gegner den Betreibern vor, mit falschen Zahlen und Prognosen zu arbeiten. Die Richter wiesen darauf hin, dass jede Ausnahme des Nachtflugverbots plausibel begründet werden müsse. Allein die Nachfrage reiche nicht aus. Vom Urteil hängt nicht nur die Ruhe am Himmel über dem Süden Berlins in einem dreiviertel Jahr ab - auch die künftige Dimension des Flughafens BER steht auf dem Spiel. Angelegt ist er auf 27 Millionen Passagiere, es wird indes schon über einen Ausbau fantasiert. Ein Richterspruch könnte solche Träume beenden. Für mögliche Koalitionsgespräche in Berlin wäre ein klares Urteil zudem hilfreich: Ein Ausbau in Schönefeld noch in der anstehenden Legislaturperiode könnte ansonsten zum Knackpunkt bei Verhandlungen zwischen SPD und Grünen werden. (mit dpa)
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