piwik no script img

■ VorschlagNachtfahrt nach Babylon: Ekova im Pfefferberg

Ältere Menschen werden sich noch an die Zeiten erinnern, als in Berlin eine Institution namens Senatsrockwettbewerb existierte. Den Gewinnern winkte damals als Preis ein Plattenvertrag, viel Ruhm und Ehre. Vorbei. Zumindest in Berlin ist Talentsuche dieser Art heute längst Geschichte.

In Frankreich hingegen gibt es solch offizielle Formen der Musikförderung noch, nur werden die dort natürlich nicht föderal, sondern national organisiert. In der mittelfranzösischen Provinzstadt Bourges treffen sich alljährlich im Frühling zum „Printemps de Bourges“ all jene zukunftsträchtigen Newcomerbands, denen es gelang, über eine regionale Ausscheidung in die engere Auswahl zu kommen. Wer sich in Bourges bewährt, der kann es schnell zu einer steilen Karriere bringen. Tourneen im In- und Ausland sowie der Kontrakt mit einer Plattenfirma sind praktisch garantiert. Musikindustrie und Staat arbeiten da Hand in Hand.

Diesen Weg gingen auch Ekova, eine der originellsten Formationen, die Frankreich in jüngster Zeit hervorgebracht hat. Dierde Dubois, gebürtige Amerikanerin, lebt seit knapp sechs Jahren in Paris. Dort traf sie den algerischen Gitarristen Mehdi Haddab, der bei libanesischen und ägyptischen Musiklehrern in die Schule ging. Zusammen mit dem persischen Percussionisten Arach Khalatbari bildeten sie das Trio Ekova, welches 1994 seinen ersten gemeinsamen Auftritt beim Pariser Szenesender Radio Nova hatte.

Orientalische und keltische Klänge verschmelzen in akustischen Kammerpop-Kompositionen zu einem faszinierenden Amalgam, das vor allem durch den flirrenden Gesang und den unkonventionellen Einsatz eines Cellos seine unverwechselbare Note erhält. Sängerin Dierde singt in einer selbsterfundenen Phantasiesprache, die Assoziationen an archaische Märchenwelten mit Elfen und orientalischen Flaschengeistern weckt – speaking in tongues. Ekova gelingt die glaubhafte Inszenierung transkultureller Grenzerfahrung. Schließt man die Augen, glaubt man sich unweigerlich auf einer Nachtfahrt im Magical-Mystery-Bus nach Babylon.

Das französische Feuilleton, seit je dem mystischen Klimbim nicht abgeneigt, ließ sich angesichts dieser avantgardistischen Folk- Fusion zu regelrechter Begeisterung hinreißen: „Eine aufwühlende Musik“, befand Le Monde, getragen von einer Stimme, die „zwischen Feuer und Samt spaziert“. Gibt es ein größeres Kompliment? Daniel Bax

Heute ab 22 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee, Mitte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen